Lykos (German Edition)
Lugmann starrte abwechselnd auf das Gebüsch und auf den Parkweg, aber niemand rührte sich. Natürlich, es wollte ja niemand die Verantwortung übernehmen. Terry winselte noch einmal während er seinen Kopf hob, dann sackte er zusammen und blieb still liegen. „Nein ..., nein, bitte nicht. Terry“, flehte Lugmann leise und spürte, wie ihm die Tränen herunterliefen. „Verdammtes Mitvieh!“, schrie er dann voller Wut und stürmte auf das Gebüsch zu. Der dunkle Schatten kam ihm jedoch zuvor und sprang ihn aus dem Dickicht mit einem lauten Fauchen an. Lugmann fiel schreiend auf den Rücken und verspürte eine schwere Last auf seiner Brust. Irgend etwas Riesiges hockte halb auf ihm und drückte ihn mit seinem Gewicht auf den Boden. Eine feuchte Masse tropfte Gerhard Lugmann ins das Gesicht und er musste seine Augen schließen. Unterdessen versuchte er die Last von sich zu schieben, aber es gelang ihm nicht. Das bösartige Knurren wiederholte sich und dann verspürte der Mann einen so dermaßen heftigen Schmerz, er beinahe ohnmächtig davon wurde. Sein Bauch löste diesen Schmerz aus, Lugmann bemerkte voller Panik, wie sich etwas in ihn regelrecht hineinfraß. Er hörte die schmatzenden Geräusche und erst langsam wurde ihm bewusst, ihm die Eingeweide herausgerissen wurden.
„Was ..., ah ...“, stöhnte er ungläubig und versuchte instinktiv, die schmerzende Stelle mit den Händen zu schützen. Er öffnete endlich seine Augen. Der dunkle Schatten des Tiers auf ihm kam dicht an sein Gesicht. Er roch den Atem und spürte erneut den Geifer auf sich tropfen. Dann sah er die Zähne und wollte endlich aufschreien, doch das Tier oder was immer es auch war biss ihm in die Kehle. Ein ersticktes Röcheln kam aus seinem Hals, dann schoss ein Blutstrom aus der Wunde und Lugmann fiel in einen Strudel aus Schmerzen und Angst. Das Letzte, was er seltsamerweise noch registrierte, waren die Lichter des Parkhauses vom Bundesamt für Strahlenschutz, das direkt an den Parkweg angrenzte. Aber auch diese Lichter erloschen bald und er verlor das Bewusstsein.
Sein Mörder hockte noch immer auf ihm und zerrte schnaufend und schmatzend am Gedärm seines Opfers. Erst nach einer ganzen Weile blickte er auf, sog die Luft durch seine Nase ein und erhob sich schnell. Er stieß ein weiteres Mal sein heiseres Knurren aus und verschwand dann wieder in dem Gebüsch ...
Margot Weber war weiß Gott nicht die typische Frühaufsteherin, so viel war sicher. Sie hasste diese Benommenheit, mit der sie sich jeden Morgen herumschleppen musste, bis ihr Körper endlich auf Drehzahl kam, wie sie es immer nannte. Vor allem in der jetzigen Jahreszeit, wenn es morgens noch lange dunkel blieb, fiel es ihr besonders schwer. Es war kurz nach vier Uhr in der Nacht und sie schlurfte mehr instinktiv als bewusst zu ihrem Auto, das an der Straße stand. Sie steckte sich die Zigarette in den Mundwinkel und kramte nach ihrem Schlüssel. Natürlich zog der Qualm ihr direkt in die Augen und sie versuchte erfolglos auszuweichen. Sie hasste es einfach alles – aber sie hatte keine andere Möglichkeit. Ihr Job war eine Putzstelle in einem Bürotrakt in der Stadt und dort musste bis spätestens sieben Uhr alles fertig sein. Gut zweihundert Euro konnte sie sich damit dazuverdienen. Mit diesem beschissenen Arbeitslosengeld II kam sie schließlich nicht weit. Aber die Welt war dieser Lohn ja wirklich nicht. Zweihundert Euro für fünfmal die Woche viel zu früh aufstehen und zwei Stunden putzen, Mülleimer ausleeren und Reinigungslisten ausfüllen. Zu allem Übel fiel der Schlüssel ihr herunter und landete halb unter dem Auto. „Verfluchte Scheiße“, schimpfte sie und bückte sich nach dem Bund. Sie tastete mit der Hand in die Dunkelheit und fand den Schlüssel glücklicherweise sofort wieder. Sie öffnete die Autotür, die sich mit einem quietschenden Geräusch zur Seite bewegte. Margot Weber schwang sich auf den Fahrersitz, schloss die Tür und steckte den Zündschlüssel in das Schloss. Der alte Golf Diesel sprang knatternd an und sie dachte grinsend an ihre Nachbarn, die sich immer darüber beschwerten, sie so früh am Morgen so einen Lärm machte.
Sie fuhr los und schaltete das Gebläse auf die höchste Stufe ein, weil die Frontscheibe schon wieder beschlug. Sie beugte sich weiter nach unten, weil die Scheibe dicht über den Luftdüsen am schnellsten klar wurde. Sie hielt an einer roten Ampel und fluchte darüber, das Lichtzeichen mitten in der Nacht so lange
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