Lyonesse 2 - Die grüne Perle
liegt der Kadaver einer Schlange, die in besseren Zeiten den Namen Vishbume trug; vorbei sind die Zeiten, da er zu den vorwärtstreibenden Rhythmen einer inneren Musik tänzelte und hüpfte und zuckte und wippte; und manchmal fragt man sich in einem solchen Fall: Hier ist die tote Hülle – wo ist die Musik geblieben?
Tamurello und Vishbume sind ohne Zweifel außergewöhnliche Wesen, und beide haben ein schlimmes Ende genommen. Aber noch immer wimmelt esauf den Älteren Inseln von bemerkenswerten Individuen, deren Absichten oft darüber hinausgehen, was ratsam ist – und bisweilen sogar darüber, was möglich ist.
Als ein Beispiel mag der Ska-Renegat Torqual genannt werden. Er hat seine schweren Verwundungen überlebt und stellt nun in seiner unzugänglichen Burg seine Kräfte wieder her. Er wälzt grimme Gedanken und schmiedet düstere Pläne, und er hat gelobt, sich bitter zu rächen an dem jungen troicischen Kämpen, der ihn so übel zugerichtet hat.
Königin Sollace von Lyonesse ist von der glühenden Hoffnung beseelt, bald ihre Kathedrale erbauen zu können. Vater Umphred läßt nicht ab, ihr zu versichern, daß König Casmir, so er zum Christentum bekehrt werden könnte, dem Projekt gewiß größeres Wohlwollen entgegenbringen werde. Königin Sollace kann Vater Umphred da nur beipflichten; die Frage ist nur: Wie kann man König Casmir für das Christentum gewinnen?
Vielleicht mit Hilfe einer heiligen Reliquie? Mehrere Jahrhunderte zuvor hatte Joseph von Arimathea den Heiligen Gral von der Abtei Glastonbury hinunter zu den Älteren Inseln gebracht; für Königin Sollaces Zwecke wäre der Heilige Gral genau das Richtige, und Mater Umphred stimmt ihr in diesem Punkt begeistert zu.
König Casmir ist nach wie vor zutiefst beunruhigt ob der Prophezeiung des Magischen Spiegels Persilian, und er verharrt immer noch in Unkenntnis um die Identität von Suldruns erstgeborenem Sohn.
Die Prinzessin Madouc von Lyonesse befindet sich in einer wenig beneidenswerten Position. König Casmir weiß, daß sie ein Wechselbalg ist, in dessen Adern kein Tropfen von seinem Blute fließt. Gleichwohl kann sie für ihn vielleicht noch von Nutzen sein, wenn sie ins heiratsfähige Alter kommt. Madouc ist schon von ihrer Natur her ein seltsames kleines Geschöpf, das die Konventionen am Hofe zu Haidion noch weniger ausstehen kann als die unglückliche Prinzessin Suldrun; und die dritte in der Reihe der Chroniken der Älteren Inseln ist:
LYONESSE III: MADOUC
Glossar I
Die Älteren Inseln hatten im Verlaufe von zehntausend Jahren feindliche Einfälle, Völkerwanderungen und bewaffnete Invasionen erlebt, ebenso wie das ständige Kommen und Gehen von Händlern an den großen Handelsniederlassungen Ys, Avallon, Dom-reis und Bulmer Skeme – allesamt Handelsplätze, die von ausländischen Händlern gegründet worden waren.
Aus allen Himmelsrichtungen waren die Menschen herbeigeströmt; voreiszeitliche Völker, deren Name und Identität sich im Dunkel der Geschichte verlieren; über die Ureinwohner, auf die sie stießen, kann man nur spekulieren. Später kamen Kornutianer, Bithynianer, ein bemerkenswertes Volk, das unter dem Namen
Goldene Khaz
bekannt wurde; und bald darauf Escquahar (andernorts Vorläufer der Basken, der marokkanischen Berber, der Guanchen von den Kanarischen Inseln und der Blauen Menschen von Mauretanien).
Noch später, und manchmal in direkt aufeinanderfolgenden Wellen, folgten Pelasgianer, blonde Sarsele aus Tingitana, Danaer und Galicier aus Spanien, Griechen aus Hellas, Sizilien und dem südlichen Gallien; einige Schiffsladungen Lydier, die in Toskanien abgewiesen worden waren; Kelten aus allen Richtungen und unter unzähligen Namen; und schließlich Römer aus Aquitanien, die kurzzeitig mit dem Gedanken spielten, das Land zu erobern, aber wenig später wieder abzogen (unter Mitnahme der christlichen Liturgie). Ein paar Goten und Armorikaner siedelten sich an den Küsten von Wysrod an, während neue Gruppen von Kelten aus Britannien und Irland die Schwäche der dautischen Herrscher ausnutzten und das Königreich Godelia gründeten.
Schließlich kamen aus Norwegen – auf dem Umweg über Irland – die Ska, die sich auf Skaghane und anderen der vorgelagerten Inseln niederließen, um von dort aus sodann nach Nord-Ulfland vorzudringen.
Glossar II
Die Geschichte der Ska war ein Epos für sich. Um das Jahr 2500 v. Chr. wanderte eine arische Horde, die Urgoten, nach Skandinavien und verdrängte die dort seit
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