Lyonesse 2 - Die grüne Perle
gekommen war.
Der erste Fischer lachte rauh. »Aber er ist mit der
Preval
draußen.«
»Aha. Dann ist es etwas anderes. Sarles, du wärest gut beraten, wenn du den Schaden wiedergutmachtest.«
»Ja, ja«, murmelte Sarles. »Alles zu seiner Zeit. Ich kann weder auf dem Wasser gehen noch mir Goldmünzen aus der Nase ziehen.«
Die Sonne ging unter, und noch immer war Junt nicht wieder in den Hafen von Mynault eingelaufen. Schließlich ging Sarles zu Liba und berichtete ihr, wie die Dinge lagen. »Meinem Rücken ging es heute schlecht, und so konnte ich nicht sehr lange fischen. Aus großmütigen Beweggründen erlaubte ich Junt, mein Boot zu benutzen. Er ist noch nicht wieder da, und ich fürchte, er könnte an der Küste hinunter abgetrieben worden sein. Oder er hat die
Preval
gar kentern lassen. Ich glaube, das sollte mir eine Lehre sein.«
Liba starrte ihn an. »Dir? Und was ist mit Junt und seiner Familie?«
»Auch um sie mache ich mir Sorgen. Das versteht sich von selbst. Aber ich habe dir noch nichts von meinem wundersamen Glück erzählt.«
»Glück? Geht es deinem Rücken etwa wieder so gut, daß du arbeiten kannst? Oder ist dir der Geschmack am Wein vergangen?«
»Weib, zügle deine Zunge, oder du bekommst meine Hand zu spüren. Ich habe genug von deinen ätzenden Scherzen.«
»Nun, was hat dir das Glück denn gebracht?«
Sarles zeigte ihr die Perle. »Was hältst du davon?«
Liba betrachtete das kostbare Stück. »Hmm. Sonderbar. Ich habe noch nie von einer grünen Perle gehört. Bist du sicher, daß sie echt ist?«
»Natürlich! Hältst du mich für einen Dummkopf? Und sie ist ein hübsches Sümmchen wert.«
Liba wandte sich ab. »Mir läuft es kalt über den Rücken.«
»Ist es nicht ein Kreuz mit den Weibern? Wo ist mein Abendessen? Was! Grütze? Wieso kannst du nicht einen leckeren Topf Suppe kochen wie andere Frauen auch?«
»Soll ich Wunder wirken, wenn der Schrank leer ist? Wenn du mehr Fische fangen und weniger Wein trinken wolltest, wäre auch das Essen besser.«
»Bah! Von jetzt an wird alles anders.«
In dieser Nacht wurde Sarles von beunruhigenden Träumen heimgesucht. Gesichter spähten ihn durch wirbelnde Nebelschwaden an und redeten dann ernst und würdevoll miteinander. Sosehr er sich auch bemühte, er konnte nichts davon verstehen, was sie sagten. Ein paar der Gesichter kamen ihm vertraut vor, doch Sarles wußte keinem einen Namen zu geben.
Am Morgen waren Junt und die
Preval
immer noch nicht wieder da. Nach althergebrachtem Brauch hatte Sarles daher das Recht, mit der prächtigen neuen
Sirlou
zum Fischen hinauszufahren. Tamas, Junts Sohn, wollte auch an Bord kommen, doch das ließ Sarles nicht zu. »Ich fische lieber allein.«
Tamas protestierte hitzig. »Aber das ist kein vernünftiger Grund! Ich muß die Belange meiner Familie wahren!«
Sarles hob den Zeigefinger. »Nicht so stürmisch! Hast du vergessen, daß ich auch Belange zu wahren habe? Die
Sirlou
ist mein eigen, bis Junt mir meine
Preval
unversehrt und ganz zurückbringt. Wenn du fischen willst, mußt du dir etwas anderes überlegen.«
Sarles steuerte die
Sirlou
hinaus in die Fischgründe und hatte seine Freude an der Kraft des Bootes und an der Handlichkeit der Takelung. Heute hatte er ungewöhnliches Glück; die Fische drängten sich förmlich um seine Schnüre, und die Körbe im Laderaum füllten sich bis zum Rand. Als Sarles nach Mynault zurückfuhr, beglückwünschte er sich selbst. Heute abend würde er eine gute Suppe bekommen, vielleicht sogar ein gebratenes Huhn.
Zwei Monate verstrichen so; Sarles erfreute sich gewinnbringender Fänge, während Tamas anscheinend nichts mehr glücken wollte. Eines Abends begab Tamas sich zum Hause Sarles, in der Hoffnung, er könne eine Änderung in einer Situation herbeiführen, die jedermann in Mynault als einigermaßen fragwürdig empfand, wiewohl sich alle darin einig waren, daß Sarles das Recht auf seiner Seite hatte.
Tamas traf Liba allein zu Hause an; sie saß vor dem Herd und spann. Er trat mitten in die Stube und schaute sich um. »Wo ist Sarles?«
»In der Schänke, möchte ich meinen, wo er sich den Wanst mit Wein vollaufen läßt.« Libas Stimme klang flach und hatte einen metallischen Oberton. Sie sah Tamas über die Schulter hinweg an und widmete sich dann wieder ihrem Rocken. »Was immer du willst, du wirst es nicht bekommen. Er ist plötzlich ein Mann mit Vermögen, und er stolziert umher wie ein Edelmann.«
»Aber wir müssen dennoch zu einer
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