Lyonesse 3 - Madouc
erstbeste Antwort gab, die ihm in den Sinn kam.«
»Gut möglich. Ihr seid ein kluges Mädchen, Madouc! Ich werde die Sache jetzt als ein unlösbares Rätsel betrachten und sie mir aus dem Kopf schlagen.«
Madouc seufzte. »Ich wollte, ich könnte das auch.«
»Welche Rätsel plagen Euch sosehr?«
»Das erste ist: Wo werde ich wohnen? Ich habe keine Lust, in Haidion zu bleiben. Miraldra ist zu kalt und zu dumpf und zu weit weg. Watershade ist friedvoll und schön, aber dort passiert nie etwas, und ich würde mich rasch einsam fühlen.«
»In Trilda bin auch ich oft einsam«, sagte Shimrod.
»Ich lade Euch daher zu einem Besuch nach Trilda ein, wo Ihr so lange bleiben könnt, wie Ihr wollt – in jedem Fall aber so lange, bis Aillas seinen Palast Alcyone erbaut. Dhrun würde uns oft besuchen kommen, und Ihr wärt ganz gewiß nicht einsam.«
Madouc konnte sich eines kleinen Freudenschreis nicht enthalten. »Würdet Ihr mich die Zauberkunst lehren?«
»So viel, wie Ihr wolltet. Es ist nicht leicht, und tatsächlich übersteigt es das Vermögen der meisten Leute, die es versuchen.«
»Ich würde hart arbeiten. Ich könnte mich Euch am Ende vielleicht sogar nützlich machen.«
»Wer weiß? Alles ist möglich.«
Madouc warf die Arme um Shimrod. »Zumindest fühle ich mich, als hätte ich ein Zuhause!«
»Dann ist's abgemacht.«
Am nächsten Tag kamen Aillas und Dhrun nach Lyonesse zurück, und wenig später reisten alle von Haidion ab. Shimrod und Madouc würden bei Tawn Twillett von der Alten Straße nach Norden abbiegen und weiter nach Trilda reiten; Aillas und Dhrun würden auf der Alten Straße bleiben und nach Tatwillow und schließlich nach Ronart Cinquelon weiterreisen.
Auf dem Wege dorthin kam die Gruppe nach Sarris, wo Aillas zwei Tage mit Schmausen, fröhlicher Geselligkeit und sorgenfreiem Nichtstun zu verbringen gedachte.
Dhrun und Madouc schlenderten hinaus auf die Wiese, die zum Glamefluß hin abfiel. Im Schatten einer mächtigen Eiche mit weitausladendem Blätterdach blieben sie stehen. Dhrun frug: »Erinnerst du dich noch, wie du dich hinter just diesem Baum verstecktest, um der Aufmerksamkeit des armen Prinz Bittern zu entrinnen?«
»Daran erinnere ich mich sehr gut. Du mußt mich für ein sehr merkwürdiges Geschöpf gehalten haben, daß ich solches Aufhebens machte.«
Dhrun schüttelte den Kopf. »Ich fand dich amüsant und ganz und gar bemerkenswert – wie ich es auch jetzt tue.«
»Jetzt mehr als damals, oder weniger?«
Dhrun ergriff ihre Hände. »Jetzt heischest du Komplimente.«
Madouc blickte zu ihm auf. »Aber du hast es mir immer noch nicht gesagt – und ich schätze deine Komplimente hoch.«
Dhrun lachte. »Natürlich mehr! Wenn du so mit deinen blauen Augen zu mir aufschaust, werde ich schwach.«
Madouc streckte ihm das Gesicht entgegen. »Da das so ist, darfst du mich jetzt küssen.«
Dhrun küßte sie. »Ich danke dir für deine Erlaubnis, wenngleich ich ohnehin vorhatte, dich zu küssen.«
»Dhrun! Du erschreckst mich mit deiner wilden Lust.«
»Tatsächlich?« Dhrun küßte sie wieder – und wieder. Madouc wich zurück; ihr Atem ging schwer.
»Je nun«, sagte Dhrun. »Was hast du?«
»Ich kann nicht verstehen, warum mir so wunderlich zumute ist.«
»Ich glaube, ich weiß warum«, sagte Dhrun. »Aber es ist jetzt keine Zeit mehr, es zu erklären, da der Lakai naht, um uns zu Tisch zu rufen.« Er wandte sich zum Gehen, hielt aber inne, als er sah, daß Madouc neben dem Eichenbaum niederkniete. Er frug: »Was tust du da?«
»Es fehlt noch eine bestimmte Person. Sie sollte jetzt hier sein.«
»Wer könnte das sein?«
»Meine Mutter, Twisk. Es ist meine Pflicht als Tochter, sie zu einem so freudigen Anlaß einzuladen.«
»Glaubst du, sie wird kommen?«
»Ich werde sie rufen.« Madouc wählte einen geeigneten Grashalm, rupfte ihn aus und fertigte daraus eine Grasflöte. Sie blies einen piepsenden Ton und sang:
»Lirra lissa larra lass
Ich blase sanft auf diesem Gras.
Ich blase leise tirili
Und rufe Twisk in Thripsey Shee.
Lirra lissa larra piep
Madouc ruft ihre Mutter lieb!
Flieg auf dem Wind und spring übers Meer;
Und eile geschwinde zu mir her.
So singe ich, Madouc!«
In einem Wirbel aus Dunst erschien Twisk. Ihre feinen Züge waren sanft und friedlich, ihr blaues Haar war zu einem kunstvollen Turm frisiert, der von einem silbernen Haarnetz gehalten wurde.
Madouc schrie entzückt: »Mutter, du bist schöner denn je zuvor! Ich staune über
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