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Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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brauchen mindestens zehn.«
    »Ich weiß.« Er hatte aufgelegt, einfach so.
    Billy Ray würde jetzt wütend in seinem Büro auf und ab laufen und allerlei Schimpfwörter benutzen, um die derzeitige Situation von Dylan's Dogs, Dannys Band, gebührend darzustellen. Treffend würden sie allemal sein, dessen war Danny sich sicher.
    Erschöpft betrachtete er den Leuchtturm, in dem er lebte.
    Er krallte sich an einer felsigen Anhöhe fest und war nicht ganz so hoch wie die Leuchttürme weiter nördlich, an den kanadischen Ufern des großen Sees.
    Sunny und er hatten ihn gekauft, weil niemand ihn haben wollte.
    Sie hatten mit den Restaurationsarbeiten begonnen und sich auf diese Art und Weise langsam ein Zuhause geschaffen. Viele Räume waren noch nicht fertig, weil sie im letzten Jahr mit Dylan's Dogs auf Tour gewesen waren. Dazu war dann noch ein Studioalbum gekommen, eine Hommage an Pete Seeger - und, so viel sei angemerkt, kein schlechter Erfolg.
    Doch das war jetzt alles Vergangenheit.
    Und dies hier war einer von den langen Tagen, die niemals vorbeizugehen scheinen.
    Nicht einmal der Anblick der Wellen konnte Danny heute beruhigen, nein, nicht mal der. Die Welt schien sich gegen ihn verschworen zu haben. Wie in den Liedern von Woodie Guthrie.
    Danny atmete tief durch.
    Ließ den Blick über die weite Küste schweifen.
    Ja, das hatte er schon am Anfang gelernt. Die Leute hier sagten Küste und nicht Ufer, nicht zuletzt, weil der See so riesig war, dass das Ufer wie eine Küste aussah.
    Und hier stand er nun.
    Im Norden Minnesotas - hierher hatte es ihn also verschlagen. In die Welt der großen Seen und dichten Wälder, wo man noch immer Weißkopfseeadler und Schwarzbären sehen konnte.
    Hier war er gestrandet.
    Damals, vor mehr als sieben Jahren.
    Er seufzte tief. Es klang wie der erste Takt eines Songs, der von einer Wurlitzer beherrscht wird.
    Seit zwei Wochen war er wieder hier. An dem Ort, den er seit fünf Jahren sein Zuhause nannte.
    Er konnte sich noch an den Tag erinnern, an dem er zum ersten Mal die Küste - nicht das Ufer - gesehen hatte, »Du siehst aus, als würdest du hierbleiben wollen«, hatte Sunny gesagt. Der Wind hatte mit ihrem Haar gespielt. Sie hatte eine karierte Bluse getragen, dazu Jeans und Cowboystiefcl.
    Danny hatte die Luft geatmet, als habe er genau das vermisst. »Es erinnert mich an Schottland.«
    »Du hörst dich nicht mehr an wie ein Schotte.« Sie hatte gelächelt, jenes große und ehrliche Lächeln, das ihm schon beim allerersten Mal schicr das rastlose Herz zerrissen hatte. »Ich dachte, dass Schotten sich alle wie Sean Connery anhören.«
    »Tun sie nicht.« Er hatte gelacht und sich zu ihr gebeugt und mit tiefer Stimme und Sean-Connery-Akzcnt ihren Namen ausgesprochen.
    »Schade.« Sie hatte gegrinst, frech und offen. Ihn flüchtig geküsst.
    »Portpatrick ist ein kleines Kaff oben in den Rhinns of Galloway«, hatte er gesagt. »Man kann an klaren Tagen bis rüber nach Irland sehen. Das hier ist kaum anders.« Er hatte die Schatten seine Augen verdunkeln lassen, nur ganz kurz, doch Sunny hatte es bemerkt.
    »Du redest nicht gern darüber.«
    »Ich habe Portpatrick nicht verlassen, um zurückzuschauen.« Mehr hatte er an diesem Tag nicht gesagt. Mehr war nicht zu sagen gewesen. Die wenigen Worte hatten alles auf den Punkt gebracht. Das beschissene Verhältnis zu seiner Familie, die ihm nichts mehr bedeutete. Die Kindheit, die troff vor Geschichten, die ihm noch viel zu lebendig vor Augen standen.
    Eines Tages war er einfach abgehauen.
    Ravenscraig, ha!
    Das große Anwesen seiner Familie, mit seinen mächtigen grauen Mauern, endlosen düsteren Korridoren, schattcnbehaftcten Erkern und einem Garten, in dem man sich verlaufen konnte. Wie sehr er dieses Haus noch immer hasste, das Haus, den Namen und überhaupt alles, was mit ihm zusammenhing.
    Wie sehr er große Häuser mied!
    Mit gerade einmal sechzehn war er in einer Nacht fortgegangen, die so dunkel und wolkenverhangen gewesen war wie die volltönende Stimme Mark Lanegans.
    Er hatte sich seine alte Gitarre geschnappt, seine wenigen Habseligkeiten schncll in einen zerlumpten Seesack gestopft und war aufgebrochen. Nichts von alldem hatte er geplant. Er war gegangen, als der richtige Augenblick für ihn gekommen war.
    Nur wenige Bilder waren ihm von diesen Tagen geblieben: der Bahnhof von Stranraer, der Geruch des Zugabteils, eine Mischung aus blauen Plastiksitzen und kaltem Rauch; später dann die Klippen von Dover, die in der Ferne

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