Mabel Clarence 03 - Schatten ueber Allerby
Laufbahn, er war aber alles andere als dumm. Daher drohte er Mabel spielerisch mit dem Finger. „Weder jemand aus dem Ort noch jemand, den Sie kannten, Miss Mabel. Also kein Grund, dahinter wieder ein Verbrechen zu sehen. Bei der Toten handelt es sich um die Besitzerin eines Herrenhauses in der Nähe von Fowey. Carter-Jones, glaube ich, ist ihr Name. Mein Chef wurde gerufen, weil der eigentlich zuständige Kollege aus Fowey sich nach einer komplizierten Bandscheibenoperation auskurieren muss. Daher sind wir derzeit für diese Gegend zuständig. Ich nehme nicht an, dass Sie mit den Carter-Joneses verkehren, oder etwa doch?“
Er beobachtete Mabel aufmerksam, doch sie hatte sich so weit im Griff, um mit einem unschuldigen Lächeln zu antworten: „Ich höre den Namen heute zum ersten Mal aus Ihrem Mund.“
Das war nicht einmal gelogen, Bourke interpretierte Mabels Worte aber genau so, wie sie es beabsichtigt hatte. Er sah auf seine Armbanduhr und stand auf.
„Dann ist es ja gut, Miss Mabel, denn wie ich bereits sagte: Es sieht alles nach klassischem Suizid aus. Tut mir leid, die Pflicht ruft wieder. Es war nett, Sie getroffen zu haben. Grüßen Sie den Doc von mir. Und Ihnen natürlich gute Besserung.“
Der Sergeant tippte sich an seine Mütze und ging. Mabel sah ihm nach, bis er das Restaurant verlassen hatte. Erst dann stand sie ebenfalls vom Tisch auf, besorgte sich einen Einkaufswagen und schob ihn durch die breiten Gänge des Supermarktes. Sie musste ihre ganze Konzentration aufwenden, um alles Nötige einzukaufen, ohne dabei Unnützes in den Wagen zu legen, denn immer wieder hatte sie das Bild der lachenden Michelle Carter-Jones vor ihren Augen. Sie hoffte, Bourke falsch verstanden zu haben, denn es war ihr unbegreiflich, dass die junge Frau sich selbst getötet haben sollte. Michelle hatte von einer Schwägerin gesprochen, oder vielleicht lebten noch mehr Frauen mit diesem Namen in Allerby House.
Reiß dich zusammen, sagte sich Mabel. Es hat niemand gesagt, dass Michelle tot ist. Andererseits – wenn dem nicht so sein sollte, warum hatte Warden dann ihren Anruf entgegengenommen?
Obwohl Mabel den Supermarkt nicht sonderlich mochte – sie kaufte lieber in den kleinen Geschäften der High Street ein, wo die Verkäufer ihre Kunden mit Namen kannten –, besorgte sie jetzt alles, was sie brauchte, bei Morrisons. Sie wollte Victor heute besonders süße und lockere Scones mit einer ordentlichen Handvoll Rosinen backen. Das würde den Tierarzt hoffentlich versöhnlich stimmen – wo er doch auf ihren Lunch hatte verzichten müssen. Mabel wusste, wenn sie Victor erklärte, warum sie so eilig weggefahren war, würde er Verständnis für sie zeigen.
Eine Stunde später kehrte sie in Victors Haus zurück. Die Mittagspause war längst vorüber, und mit Mabel zusammen betrat eine Frau mit einer Katze auf dem Arm die Praxis, um die Nachmittagssprechstunde aufzusuchen. An der Tür fing Diana Scott Mabel ab.
„Der Doc ist noch oben“, sagte sie leise und deutete mit der Hand ins erste Stockwerk.
„Jetzt noch?“, fragte Mabel und warf einen Blick ins Wartezimmer, das bis auf den letzten Platz gefüllt war.
Diana nickte und sagte mit einem besorgten Blick: „Er hat Besuch.“
Bereits auf der Treppe hörte Mabel Männerstimmen aus der Küche. Das Herz rutschte ihr beinahe in die Hose, als sie die Tür öffnete und plötzlich Chefinspektor Randolph Warden gegenüberstand.
3. Kapitel
Mabel fasste sich als Erste wieder, während Warden sie zornig anfunkelte.
„Guten Tag, Chefinspektor“, sagte sie leichthin. „Trinken Sie einen Tee mit uns? Wie ich sehe, hat Mr Daniels Ihnen nichts angeboten. Der gute Victor ist zwar ein hervorragender Tierarzt, an seinen gastgeberischen Fähigkeiten müssen wir allerdings noch arbeiten.“
„Das ist kein Höflichkeitsbesuch“, erwiderte Warden barsch und mit versteinertem Gesicht. „Sie haben ein ernsthaftes Problem, das Sie dieses Mal nicht mit einer Tasse Tee lösen können, Miss Clarence.“
„Ein Problem?“ Mabel sah den Chefinspektor unschuldig an, obwohl sie ahnte, was Warden in Victors Haus geführt hatte. „Hatte ich etwa falsch geparkt? Ich hoffe, es ist nichts Schlimmeres geschehen.“
„Ich sagte dem Chefinspektor bereits, er müsse sich irren …“, warf Victor ein, aber Warden ließ ihn nicht ausreden.
„Ich glaube, die Sache ist aufgeklärt, Doktor. Miss Clarence ist offenbar erkältet, darum erkannte ich ihre Stimme nicht und
Weitere Kostenlose Bücher