Macabros 010: Duell mit den Höllengeistern
und Frieden
vermittelte.
Armand Moresh atmete tief durch. Er hatte das Gefühl, aus der
Hölle in einen paradiesischen Garten gelangt zu sein.
Man bot ihm einen Kognak an. Er goß ihn mit einem Ruck in
seine Kehle.
Moresh lächelte. »Jetzt geht’s mir schon wieder
besser«, sagte er. Danach klang auch seine Stimme.
Er warf einen Blick zurück und sah Desiree durch den Korridor
kommen. Sie hatte die Wohnungstür geschlossen.
»Vielen Dank«, murmelte Moresh.
»Dank? Wofür?« fragte Madame Barlon und neigte
leicht den Kopf zur Seite. Ihre schönen schwarzen Augen waren
auf ihn gerichtet. »Wir haben Ihnen einen Drink gegeben, mehr
nicht. Was hat Sie so erschreckt, Monsieur Moresh?«
Der Gefragte wußte nicht, wie er auf diese Worte reagieren
sollte. Die Barlons waren seine Nachbarn. Man wechselte ein Wort,
wenn man sich begegnete. Verschiedentlich war es auch zu Einladungen
gekommen. Man konnte den Kontakt nicht als Freundschaft bezeichnen,
wohl aber als gute Nachbarschaft.
Moresh druckste ein wenig herum. Es kam ihm lächerlich vor,
darüber zu sprechen. Wie schnell sich Gefühle und
Vorstellungen ändern konnten!
Er deutete auf seine angesengten Augenbrauen, das verschmorte Haar
auf seinem Kopf. Es war alles halb so schlimm, wie er sich in einem
Spiegel vergewissern konnte.
Nach und nach kam er schließlich auf das zu sprechen, was
geschehen war. »Es hört sich seltsam an, aber auch jetzt
noch bin ich der Überzeugung, daß ich sie wirklich gesehen
habe.«
»Gesehen? Wen?« Madame Barlon konnte sich noch immer
keinen Reim darauf machen.
Moresh nannte endlich die Dinge beim Namen: »Gestalten im
Feuer, Höllengestalten.«
Er sahwieder genauso erschrocken aus wie vorhin. Deutlich standen
die Bilder wieder vor seinem geistigen Auge.
»Sie haben geträumt«, bemerkte Edith Barlon.
»Sie sind vor dem Kamin eingenickt, Monsieur. Funken sind auf
Ihre Haare gesprungen und haben sie in Brand gesetzt.«
Das hörte sich ganz plausibel an. Es deckte sich auch mit
dem, was er anfangs selbst geglaubt hatte. Aber er wußte mehr.
Er hatte es schließlich gesehen.
Eine Halluzination? Wenn ja, dann bedeutete dies, daß er
krank war, daß er einen Psychiater aufsuchen mußte. Nie
hatte er über ernsthafte gesundheitliche Störungen zu
klagen gehabt.
Die beiden Frauen waren überzeugt, daß es
unmöglich sein könnte, was er gesehen haben wollte.
Er fing jetzt an, selbst zu zweifeln. Desiree studierte Physik. In
das Forschungsgebiet ihres Vater, der sich mit parapsychologischen
Phänomenen befaßte, hatte sie auch ein bißchen
hineingeschmeckt, hielt aber nicht viel davon. Ihr war das alles zu
weit hergeholt, zu wenig bewiesen. Sie glaubte nur an das, was man
messen und in Zahlen ausdrücken konnte. »Man glaubte, etwas
zu hören und zu sehen, was in Wirklichkeit gar nicht zu
hören und zu sehen, was in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist,
Monsieur. Manchmal mischen sich Traum und Wirklichkeit. Ein Traum
kann eindrucksvoller als die Wirklichkeit sein. Und wenn man
aufwacht, begreift man die Wirklichkeit nicht mehr.«
»Das stimmt. Aber diesmal ist es doch ganz anders. Deshalb
hätte ich gern Monsieur Barlon gesprochen. Er weiß,
daß man sogenannte Halluzinationen und Visionen unter
Umständen als eine Art Botschaft aus einer anderen Welt deuten
kann.«
Desiree seufzte. »Oh, Monsieur Moresh!« Sie fuhr sich
durch das dichte Haar. »Man merkt, daß Sie in der letzten
Zeit öfter mit Papa Karten gespielt haben. Das könnte aus
dem Mund meines Vaters stammen. Vielleicht ist gerade das, womit Sie
sich beschäftigen, die Ursache dafür, daß Sie etwas
wahrgenommen haben, was Sie vielleicht gern wahrgenommen
hätten.«
Moresh zuckte die Achseln. Er war verwirrt.
»Wir gehen jetzt in Ihre Wohnung, Monsieur«, schlug
Madame Barlon vor. Sie hakte den Nachbarn kurzentschlossen unter. Sie
war sichtlich erleichtert, daß Moresh nach dem ersten
Auftauchen auf der Türschwelle nun schon wieder einen so guten
Eindruck machte. »Jetzt gehen wir der Ursache Ihres Schreckens
auf den Grund. Kommen Sie!«
So war sie immer. Forsch und voller Temperament.
»Jetzt wollen wir doch mal sehen, wer sich da in ihren Kamin
eingenistet hat.« Desiree lief leichtfüßig durch den
Flur. An der Tür warf Madame der Tochter einen schnellen Blick
zu, der besagte, daß sie sich so nicht benehmen solle.
Moresh sollte nicht das Gefühl bekommen, daß man sich
auf seine Kosten lustig machte.
Irgend etwas mußte da gewesen sein, daran gab es
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