Macabros 021: Abraxas Fluch des Magiers
Inselwelten
kennenzulernen.
Mit dem Flugzeug war der Zweiunddreißigjährige nach
Papeete gekommen und von da aus nach Moorea weitergereist. Diese
Insel, so hatte er sich sagen lassen und gelesen, sollte noch
schöner und romantischer sein als Tahiti. Dort verkehrten schon
zuviel Touristen, und vieles war kommerziell geworden. Der
Massentourismus zeigte seine ersten Auswirkungen, und in wenigen
Jahren, davon war der junge Franzose überzeugt, würde eine
Flut von Fremden aus aller Herren Länder hier einbrechen, und es
würde sich das wiederholen, was an der Costa del Sol, an der
Agarve und an der Südküste seines Heimatlandes bereits
stattgefunden hatte.
Schreckliche Betonklötze, in denen Hunderte und Aberhunderte
von Hotelzimmern untergebracht waren, würden aus dem Boden wie
die Pilze schießen und diese herrliche Natur verschandeln.
So wie es jetzt noch war, schien die Zeit seit den Tagen James
Cooks und der anderen großen Seehelden stehengeblieben zu
sein.
Daran dachte er, als er mit Saionan, einem hübschen
Inselmädchen, am Strand lag und ihren braunen, formvollendeten
Körper liebkoste.
Das Mädchen lächelte ihn an. Wie Perlen schimmerten ihre
Zähne. Er küßte sie. Saionan trug einen langen,
geschlitzten Rock und ein buntgemustertes Tuch, das sie wie einen BH
um ihren Busen geschlungen hatte.
Pierre Carnol war in dieser Nacht nicht in dem kleinen Hotel
gewesen, und er hatte die Absicht, auch in der kommenden Nacht nicht
dort hin zurückzukehren.
Hier im Palmenhain, unter freiem Himmel, hatte er die Nacht mit
Saionan verbracht. Die Insulanerinnen waren schnell zu erobern. Was
Sex und Liebe anbetraf, dachten sie freizügiger als ihre
Geschlechtsgenossinnen in Dänemark, Schweden oder
Frankreich.
»Saionan«, flüsterte Pierre zärtlich.
Sie sah ihn aus großen, unergründlichen Augen an…
Wimpern wie aus Seide gesponnen, eine Haut wie Sahnekaffee.
Seine Rechte glitt über ihren geschmeidigen Körper, der
sich lautlos und elastisch wie eine Raubkatze bewegte.
Langsam öffnete er den lockeren Knoten des Brusttuches.
Seine Lippen liebkosten die heiße Haut. Das
Inselmädchen streichelte seinen Nacken.
Ihr Tuch fiel, und er zog es zur Seite, seine Lippen näherten
sich ihrem festen Busen.
Sie drängte sich an ihn, und ein leiser Seufzer entrann ihren
Lippen.
Seine Hand näherte sich dem hochgeschlitzten Rock – und
plötzlich griff er ins Leere.
Pierre fuhr erschrocken zusammen, und seine Augen weiteten
sich.
»Saionan?« fragte er entsetzt. Doch sie war weg,
verschwunden, als hätte der Boden sie verschluckt!
*
Das Mädchen warf den Kopf herum.
Was war geschehen?
Das vertraute Blätterdach, durch das stellenweise der blaue
Himmel schimmerte, war mit einem Mal verschwunden. Es herrschte tiefe
Dunkelheit, als wäre der Mond auf die Erde gestürzt und
hätte alles ausgelöscht.
Wie ein Sog packte es sie.
Das Mädchen aus Moorea glaubte, in einen endlosen Schacht zu
fallen, und ihr eigener Schrei hallte gellend in ihren Ohren.
Nur den Bruchteil einer Sekunde lang dauerte dieses Gefühl
der Zerrissenheit, als würde sich ihr Körper in Myriaden
von winzigen Partikeln auflösen, um an anderer Stelle wieder
zusammengefügt zu werden.
Ein leises Flackern traf die Augen. Die Umgebung war
verändert.
Völlige Schwärze zunächst. Dann ein flackerndes
Licht.
Saionan schrie, und fünfhundert Besucher des
»Exclusive-Theatre« im Londoner Strand hörten es.
Abraxas stand nicht mehr allein auf der Bühne.
Im flammend roten Licht des Scheinwerfers sahen es alle.
Eine Halbnackte! Schwarz und wellig fiel das dichte Haar auf
samtene, braune Schultern. Die Brüste wippten leicht, das
hochgeschlitzte Tuch war verrutscht und ließ die langen, festen
Schenkel sichtbar werden.
Björn Hellmark bemerkte den überraschten, erschrockenen
Ausdruck auf dem Gesicht der schönen Fremden.
»Ein Mädchen aus Tahiti, Mister Fuller!« sagte
Abraxas mit dröhnender Stimme. »Genau wie Sie sich’s
gewünscht haben. Barbusig! Was wollen Sie mehr?«
Es ging alles sehr schnell.
Rundum waren die zuckenden Flammen, die nichts in Brand gesetzt
hatten, erloschen.
Nur Abraxas und die schöne Fremde, der eine rote
Hibiskusblüte im Haar steckte, standen mitten auf der
Bühne.
Beifall brandete auf. Abraxas machte eine theatralische,
umfassende Handbewegung.
Es wurde leiser. Deutlich war zu hören, was er fragte:
»Gefällt sie Ihnen, Mister Fuller?«
»Ja, sehr.« Der Untersetzte, der zu jedem
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