Macabros 042: Hades, Hort der Vergessenen
Al Nafuurs nachdenkliche Worte in seinem Bewußtsein.
»Dorthin zurückzugehen allerdings ist auch das Problem, vor
dem ihr steht. An einem bestimmten Punkt müßte sich das
Gleiche wiederholen, was euch nach Helon schleuderte. Doch daß
dies geschieht, ist mehr als unwahrscheinlich. So steht dir ein
anderer Weg offen – einer, der mit großem Risiko
durchführbar ist. Und darauf kommt es jetzt an, willst du nicht
bis ans Ende deiner Tage Gefangener des Sterns Helon
sein…«
Das Sonnensystem und die Umlaufbahnen der Planeten, die er wie
durch ein gewaltiges Okular hatte beobachten können, erlosch im
Zentrum des Spiegelsees wie ein Licht, das man ausschaltete.
An seine Stelle trat nun eine aus groben Steinen errichtete Mauer,
die wie ein Gang auf einen aus nicht minder groben Quadern
gepflasterten Platz führte. Der Platz war umgeben von leeren,
ruinenhaften Steinhäusern. Leer und wie anklagend wirkten die
Fensterlöcher in den primitiven Bauwerken.
Ein rätselhaftes, bedrückendes Zwielicht lastete
über dem Ort. Schwarze Vögel kreisten in großer
Höhe über dem Platz und den leeren Gebäuden.
Der zentrale Mittelpunkt des Ortes war ein massiger, etwa hundert
Meter hoher Stein, der sich wie eine Pyramide nach oben hin
verjüngte.
Das klobige Bauwerk sah aus, als wäre es mehrfach in sich
zusammengerutscht. Wie Auswüchse wirkten die Gesteinsmassen, die
im Lauf von Jahrhunderten oder Jahrtausenden durch den Druck von oben
und die unzureichende Absicherung der seitlichen Kanten
herausgepreßt worden waren. In dem grauen und groben, nackt und
kahl wirkenden Ort wehten seltsam klagende Geräusche über
die zerfallenen Ruinen hinweg. Es klang wie das Seufzen von
Sterblichen.
»Das ist ein besonderer und von vielen Völkern der
Jetztzeit gemiedener Ort«, tönte Al Nafuurs Stimme wieder
in seinem Hirn. »In alter Zeit war es üblich, daß die
Reiter von Lovon diesen Ort aufsuchten, um ihre Feinde ins Jenseits
zu befördern. Einer schrecklichen Gottheit, deren Name heute
niemand mehr kennt, wurden Menschenopfer dargebracht, um sie um Kraft
und Hilfe zu bitten und sie jederzeit günstig zu
stimmen…«
Als ob eine unsichtbare Kamera über dem öden,
verlassenen Ort kreisen würde, sah er nun den zusammengesackten
dreieckigen Turm von der Seite und dann von oben. Noch
verhältnismäßig gut erhalten waren auffallend schmale
Stufen, die rund um die zerfallene Pyramide und nach oben
führten. In der Höhe gab es einen Sockel, an dem gewaltige
Taue befestigt waren, die in die ungewisse und trübe Tiefe der
Pyramide ragten. Die Pyramide war hohl wie ein Kamin, und von hier
oben aus konnte man hineinsteigen. Aus schwindelnder Höhe
blickte man über die klobigen, unfreundlichen Häuser hinweg
und nahm dahinter den zarten und weichen bernsteinfarbenen Sand der
Helon-Wüste wahr.
»… wo Krieger und Unschuldige ihr Leben verloren,
existiert noch heute die Kraft, die deren Seelen in die Unterwelt
holte, wo sie als Rha-Ta-N’mys und Molochos Diener für alle
Zeiten festgehalten werden. Das ist die einzige Verbindung dorthin,
wo Zavho sich aufhält, der Mann, den du suchst und der sein
Wissen mit ins Grab genommen hat, in dem auch du sein kannst. Durch
Siaris. Finde die Stelle, die ich dir hier zeige und die in der
Helon-Wüste liegt! Steige in die Tiefe der Todes-Pyramide, indem
du die Begegnung mit den Reitern aus Lovon meidest, denn: in und um
Lovon kündigen sich Veränderungen an. Die Macht liegt noch
in der Hand des Prinzen Ghanor. Sein Herrschaftsstil wird von Lugom,
seinem Bruder, nicht gut geheißen. Ghanor setzt die milde und
verständnisvolle Politik seines Vaters fort, der sich mit den
Nachbarvölkern aussöhnen wollte. Die Randvölker der
Wüste sind einfache, primitive Stämme, die einer
Natur-Religion huldigen und bisher erfolgreich den Riten und
Versuchungen Rha-Ta-N’ym’scher Prägung Widerstand
entgegensetzten. Es ist bis heute nicht geklärt, woher diese
Völker die Kraft nehmen, diesen Widerstand aufrecht zu erhalten
und weshalb die Boten der Finsternis, die auf Helon wie zu Hause
sind, bisher nicht intensiver eingegriffen haben. Das Geheimnis
dieser Freiheit muß in den Primitiven selbst stecken. Für
sie sind die Leute aus Lovon Todfeinde, obwohl das Verhältnis
unter Ghanors Führung inzwischen merklich entkrampft wurde. Sie
haben erkannt, daß Ghanor eine Veränderung der
Verhältnisse anstrebt, die seit Jahrhunderten das Leben und
Streben seines Volkes bestimmen. Die Einflüsse böser
Mächte
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