Macabros 043: Die Horror-Tempel von Skyx
Skyyyxxxx…«
Mahay kratzte sich im Nacken, und seine Lippen bildeten einen
schmalen Strich in seinem kräftigen männlichen Gesicht.
Jemand rief – aber dieser unbekannte Jemand oder dieses
unenträtselte Etwas war offensichtlich zu einer anderen
Lautfolge nicht fähig.
Mahay gab sich einen Ruck. »Okay«, murmelte er.
»Dann ist dies für mich zunächst mal Skyx, solange mir
niemand sagt, wo ich bin. Auf diese Weise hat man wenigstens schon
mal einen Anhaltspunkt und…«
Seine Angewohnheit, in der Einsamkeit seine Gedanken laut
auszusprechen, fiel ihm schon gar nicht mehr auf. Aber diesmal wurde
sie ihm doch bewußt.
Er zuckte zusammen und bemerkte, wie er nach Luft schnappte.
»Björn!« entfuhr es ihm, »Björn?!«
Und er kam sich vor wie einer, der mit Erschrecken feststellte,
daß er anfing, den Verstand zu verlieren.
Dort drüben im Gebüsch sah er für den Bruchteil
einer Sekunde etwas aufblitzen: Eine Gestalt, blondes Haar, ein
helles Gesicht, das durch das Blattwerk spähte…
»Bjöööörn!« Mahay schrie aus
Leibeskräften und stürzte dann nach vorn, alle Vorsicht
außer acht lassend.
Er konnte es kaum fassen: er hatte den Freund gefunden… hatte
er das wirklich?
*
Eine andere Welt, ein anderer Stern, ein anderes
Raum-Zeit-Kontinuum.
Die Kammer, in der der dunkelhaarige Mann mit den fast schwarzen,
traurigen Augen stand, befand sich in einem seltsamen Zwielicht. Es
wurde durch armdicke Kerzen verursacht, die links und rechts in den
Nischen neben dem Fenster standen, aus dem der Mann in den duftenden
Garten blickte.
Dort unten ging Osira spazieren. Seine Osira… Ein tiefer
Atemzug hob und senkte die Brust des Mannes, der ein
smaragdgrünes Gewand trug, das mit kostbaren Saumverzierungen
versehen war.
Prinz Ghanor wandte den Kopf. Sein Gesicht spiegelte sich in der
dunklen Scheibe wie in dem stillen Wasser eines einsamen Sees.
›Das ist nicht mein Gesicht, das ist nicht mein Körper,
das bin nicht ich‹, dachte der Mann, der mit dunklen und
traurigen Augen sein Spiegelbild begutachtete, es förmlich
sezierte. ›Ich bin nicht Prinz Chanor, obwohl alle mich hier
dafür halten. Ich bin – Björn Hellmark!‹
Und das stimmte.
Hellmarks Geist und Seele waren in diesem Leib gefangen.
In dem Augenblick, als er meinte, dem Schicksal und damit seinem
Todfeind Molochos einen Streich zu spielen, als er im Besitz jener
Schriftrolle war, die entscheidende Hinweise auf Molochos’
Geheimnisse enthielt – da war es passiert.
Prinz Ghanor war durch seinen verräterischen Bruder in den
Hades gelockt worden. Die liebliche Prinzessin Osira, die das Spiel
rechtzeitig durchschaute, verfolgte den Abtrünnigen und wandte
ein den Sternen abgegucktes Ritual an, um ihren geliebten Gatten aus
dem Jenseits zurückzuholen, ehe es zu spät dazu war.
Im gleichen Augenblick aber, da sie Geist und Seele Ghanors
zurück in dessen Körper beschwor – geriet Hellmarks
Geist-Seele in den Strom der beschworenen Mächte. Auch er hielt
sich zu diesem Zeitpunkt im Dunkelreich der Geister auf, und sein
Körper, den er durch den Siaris-Trank verlassen hatte, lag als
leblose Hülle am Ufer des Schwarzen Flusses.
Seine Geist-Seele erreichte nicht den Leib, in den sie
gehörte, sondern den Körper des Mannes, der Prinz von Lovon
war.
Hellmark war gefangen in einem fremden Körper. Drei Dinge
beschäftigten ihn ständig und ließen ihn nicht mehr
zur Ruhe kommen.
Er stellte Ghanor dar, ohne Ghanor wirklich zu sein.
Er hatte eine Aufgabe, die er erfüllen mußte, um Unheil
abzuwenden, das sich wie ein drohendes Gewitter zusammenzog. Nur in
seinem Originalkörper, wo Geist und Seele und Leib eine Einheit
bildeten, konnte er gewisse Aktionen ausüben, die ihm jetzt
versagt waren. Er dachte an das Schwert des Toten Gottes. Nur in der
Hand Hellmarks erfüllte es seinen Sinn, nur die Hand Hellmarks
konnte es aufheben.
Er dachte an Danielle de Barteaulieé, jene junge
Französin, die ihn auf dem langen Weg des Abenteuers bisher
begleitet hatte und hier auf dem fremden Stern namens Helon 4 spurlos
verschwand. Nichts wußte er über ihr Schicksal.
Sorge bereitete ihm, daß man von ihm – als dem
vermeintlichen Ghanor – Dinge verlangte, die er nicht tun
konnte, weil er nichts über sie wußte.
»Ghanor!« vernahm er die leise, angenehme Stimme aus dem
Garten. »Ghanor?! Warum stehst du dort oben am Fenster? Du
hattest mir versprochen, daß wir gemeinsam einen Spaziergang
machen.«
Osiras Stimme klang
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