Macabros 052: Aufstand der Knochenmonster
leisten, was sie sich immer gewünscht
hatte: schöne Kleider, Schmuck, eine teure Apartmentwohnung im
besten Wohnviertel von Los Angeles, ein eigenes Dienstmädchen,
einen teuren Wagen und einen Chauffeur.
Das erfüllte sie eine Zeitlang, lenkte sie aber nicht von den
Dingen ab, die sie wirklich interessierten. Sie sah den Rummel um
ihre Person als ein vorübergehendes Ereignis an. Das andere war
das beständigere.
Und so kam es, daß sie immer dann, wenn das
›geschäftliche Herumziehen‹ ihrer Person über die
Bühne gegangen war, ihr eigentliches Privatleben begann. Das sah
nun ganz anders aus als das, was in der Öffentlichkeit als
für sie typisch hingestellt wurde.
Sie las viel, schrieb und hielt Briefkontakt zu Menschen, die
ähnliche Gedanken und Probleme hatten wie sie.
Wenn sie allein war, dann wollte sie auch wirklich allein sein.
Jede Störung war ihr dann verhaßt.
Ihr derzeitiger Filmerfolg brachte es mit sich, daß sie in
viele Städte kam und die ›wilde Jenny‹ hervorkehren
mußte.
Nach Erledigung ihrer Pflichten zog sie sich dann am liebsten auf
ihr Hotelzimmer zurück, pfiff auf Regisseure, Produzenten und
Kollegen und lebte das Leben, das ihr Spaß machte. Dazu
gehörte auch, daß sie ein Taxi rufen und sich durch eine
fremde Stadt fahren ließ.
Sie hatte London noch nie gesehen. Den ersten Eindruck dieser
Stadt gewann sie kurz nach ihrer Ankunft auf dem Heathrow
Airport.
Die roten, einstöckigen Busse sorgten für eine erste
Rundfahrt nach dem obligaten Interview durch die Stadt mit ihren
Sehenswürdigkeiten. Dann folgte das Hotel, wo eine ganze Suite
für sie reserviert war.
Ihr Domizil lag im Strand. Das Hotel »Baldwin« war eines
der ältesten, teuersten und vornehmsten in der Stadt.
Hier lebte man in Räumen, die einem Schloß alle Ehre
machten.
Die internationale Küche lieferte Spezialitäten, bei
denen jedem Gourmet das Herz im Leibe lachte.
Dorthin fuhr Tina Marino nach ihrem privaten kleinen Ausflug durch
die nebelverhangene Millionenstadt zurück.
Typischer Londoner Nebel! Die Atmosphäre war ganz
eigenartig.
Man sah die Häuser und Plätze in den berühmten
Stadtvierteln wie Soho und East Side, wo weiland Jack the Ripper sein
Unwesen trieb, mit ganz anderen Augen.
Die Bürogebäude, Geschäfte und Banken in der West
Side… Menschenleere Straßen. Kein Lokal war mehr
geöffnet. London wirkte wie ausgestorben…
Welch ein Kontrast zu dem lebenserfüllten, hektischen Soho,
wo die Bars und Discos, die Lokale und Striptease-Clubs Hochbetrieb
hatten.
Bis zum ›Baldwin-Hotel‹ waren es noch fünf
Minuten.
An einer Kreuzung hielt der Taxichauffeur, als die Ampel auf
Grün sprang.
In dem verwaschenen Scheinwerferlicht waren die drei dunkel
gekleideten Personen, die den Zebrastreifen überquerten, nur wie
schemenhafte Geister zu erkennen.
Tina Marino lehnte sich in die Polster zurück.
Der Wagen rollte wieder an und wurde wenig später
abgebremst.
Die Hotelfassade des ›Baldwin‹ war schwach zu
erkennen.
Das grüne Licht, das den Namen formte, wirkte
geisterhaft.
Vom überdachten Eingang löste sich eine Gestalt. Ein
livrierter Diener des ›Baldwin‹!
Er ging zur hinteren Tür und öffnete sie.
Tina Marino drückte dem Fahrer gerade das Geld in die Hand,
gab ein reichliches Extra und bedankte sich für die gute
Fahrt.
Dann stieg der Filmstar aus.
Der Fahrer beobachtete sie dabei.
Er sah beide: Tina Marino und den Livrierten. Aber er sah nicht,
wie die Italo-Amerikanerin einen markerschütternden Schrei von
sich gab und voller Entsetzen zurückprallte.
Der Mann vor ihr – bestand nicht aus Fleisch und Blut. Es war
ein livriertes Skelett, das ihr die Tür öffnete!
*
Dr. Thorwald Belman wirbelte sofort herum.
Sein Blick bohrte sich in die Dunkelheit.
Der Chirurg zog scharf die kalte Nachtluft ein.
Da stand wirklich jemand!
Am Wegrand – ihnen genau gegenüber!
Eine Frau! Graue Haut, ungepflegtes Haar und matte Augen.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie hier?«
Unwillkürlich zog Thorwald Belman Anka Sörgensen hinter
sich und stellte sich schützend vor sie.
Die Alte wich zurück.
Die Dunkelheit zwischen den Bäumen nahm sie auf.
Sie begann zu laufen. Zweige und Äste knackten unter ihren
Schritten. Laub raschelte.
»Bleib hier! Ich bin sofort wieder da!«
Thorwald Belman spurtete los. Nun wollte er es genau wissen.
Was war das für ein Mensch, der Anka selbst hierher
verfolgte?
Sie hatte die Frau wirklich gesehen – vor drei Wochen
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