Macabros 052: Aufstand der Knochenmonster
Wipfel der Eiche sah ich plötzlich Gestalten…
eine Straße, viel Nebel… ein Hotel, davor hielt ein Wagen,
Thorwald…«
Ihre Stimme war zuletzt immer leiser geworden.
»Und, was war dann?« drängte er, sich aufmerksam
umblickend und die Bäume beobachtend, um rechtzeitig ein
ähnliches Ereignis wahrzunehmen.
»Es handelte sich um ein Taxi… ich trat zurück, um
es deutlicher wahrzunehmen. Ich konzentrierte mich auf den hohen
Wipfel und vergaß meine Umgebung. Es war plötzlich alles
wieder so wie damals, als ich während der Operation die
Wände des Operationssaals durchsichtig sah und in einen Saal
sehen konnte, wo der Knochenherrscher auf und ab ging… aber
diesmal war es kein Blick in eine andere, unbeschreibliche Welt,
Thorwald… diesmal habe ich unsere Welt gesehen… und
für einige Augenblicke war ich, so glaube ich jedenfalls, nicht
mehr an dieser Stelle… ich war dort, sah mich von Nebeln
umhüllt… sah das Taxi und die Frau, die ausstieg und
plötzlich entsetzlich auf schrie.«
»Warum hat sie geschrien, Anka?«
Seine Augen bildeten enge Schlitze. Er wollte darauf hinweisen,
daß Anka es selbst gewesen war, die geschrien hatte.
»Sie sah etwas, was der Taxifahrer scheinbar nicht erkennen
konnte. Der Livrierte aus dem Hotel… war ein Skelett! Instinktiv
habe ich begriffen, daß es einer von der Sorte war, die ich bei
dem Tanz unter dem Totenkopfmond beobachten konnte. Dort haben
Menschen sich verändert und wurden zu Skeletten… aber das
geschah in einer anderen Welt, der Knochenmann aus dem Hotel jedoch
– stammt von dort. Er ist jetzt hier in dieser Welt zu Hause!
Die Frau, die ausstieg und ich… haben dies wahrgenommen. Und
dann hörte ich es krachen. Im nächsten Moment schrie ich
deinen Namen… Ich war wieder zurück… aber offenbar
später… und das rettete mir das Leben. Ich wurde nur von
Asten und Zweigen getroffen, die von den anderen Bäumen
abgerissen wurden. – Sie haben nicht viel anrichten können.
Wieder wollte sie mein Leben – aber diesmal ist etwas
dazwischengekommen, was sie nicht voraussehen konnte. Was hast du
erreicht, Thorwald?«
Er sagte ihr die Wahrheit und berichtete, was er gesehen
hatte.
»Die Anschläge auf mein Leben werden sich immer wieder
ereignen, möglicherweise solange, bis ich erkenne, warum sie
eigentlich erfolgen«, murmelte sie, als sie sich von dem Ort des
Schreckens entfernten. »Das Hotel… das Taxi… die
Stadt…«
»Welche Stadt, Anka?«
»Der Wagen hatte ein englisches Nummernschild.«
»Vielleicht – London?« war Belmans erste
Vermutung.
»Möglich.«
Er hatte den Arm um ihre Schultern gelegt. Anka fühlte sich
seltsam leicht an, als besitze sie noch nicht wieder die atomare
Dichte, die einem menschlichen Körper normalerweise Struktur und
Festigkeit verliehen.
Sie war woanders gewesen und Zeuge eines Vorgangs geworden, der
sich irgendwo hier auf dieser Welt abgespielt und der doch Beziehung
zu jener anderen Welt hatte, die sie zuerst sah. Und die sie auch
schon besucht hatte, wenn man all das berücksichtigte, was alles
seit ihrer schnellen Genesung geschehen war.
Der Besuch in einem turmartigen Verlies, in dem ein Mensch
gefangengehalten wurde, der mit ihr gesprochen hatte, paßte in
dieses Bild.
In der Dunkelheit vor ihnen bewegten sich Lichter.
Dr. Gullbrans und Angehörige des Pflegepersonals kamen den
Weg entlanggerannt und hielten Taschenlampen in der Hand.
Der Lärm war auch in der Heilanstalt gehört worden.
»Was ist denn passiert, um Himmels willen?« rief
Gullbrans atemlos, die beiden Gestalten ableuchtend, die den Weg
entlang kamen.
»Ein Baum ist umgestürzt«, erklärte
Belman.
»Ein Baum kann nicht einfach so umfallen«, reagierte
Gullbrans scharf, der die Erwiderung Belmans anfangs nicht ernst
nahm.
»Das dachte ich früher auch. Es braucht aber nicht immer
einen Grund zu geben, warum Geschirrwagen die Treppe runterpurzeln,
Balkone abbrechen oder Bäume umstürzen, Herr Kollege. Man
kann natürlich einen Grund konstruieren. Vielleicht findet man
ein paar gebißkräftige Käfer, die die Wurzeln
abgenagt haben, so daß die Eiche schließlich umfallen
mußte.« Er sagte es sehr ernst. Und zu Anka gewandt, fuhr
er leise fort: »Wenn es dir recht ist, werde ich dich
mitnehmen… heute noch, jetzt gleich. Von nun an werde ich mich
um dich kümmern, werde meine Augen offenhalten, und wir werden
gemeinsam versuchen herauszufinden, was du eventuell in London
gesehen hast. Vielleicht ist es wichtig für
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