Macabros 066: Die Monsterstürme von Kh'or Shan
plötzlich irritiert.
»Komm’ mit – ich will dir etwas zeigen.
Am besten wird es sein, wenn du nicht nur als Geist hier
auftauchst, sondern mit allem, was du hast«, lächelte
sie.
Macabros zog verwundert die Augenbrauen in die Höhe.
»Eines verstehe ich nicht, Schoko«, bemerkte er
unvermittelt.
»Und was ist das, Björn?«
»Du nimmst es einfach hin, daß ich hier mit meinem
Doppelkörper auftauche, obwohl das doch auf Kh’or Shan
keineswegs selbstverständlich ist.«
»So lange Sequus regiert und seinen Weg als Dämon weiter
forciert, wird es auf Kh’or Shan auch nicht möglich sein,
daß du mit Hilfe deines Zweitkörpers eine entscheidende
Wende herbeiführen kannst, Björn. Daß du hier
auftauchen kannst, hängt einzig und allein mit der
Atmosphäre zusammen, die vom Garten des Hestus’
ausgeht… Hier sind die Kräfte aufgehoben, die Sequus mit
seinem dämonischen Geist entgegensetzen kann. Die magischen
Gärten des Hestus’ – meines Vaters in meinem ersten
Leben – eliminieren alles Böse. Hestus hat wie kein zweiter
das Böse studiert und versucht, dagegen anzukommen. Das
Böse ist wie das Gute überall. Es ist ein Teil der
menschlichen Seele, und jedermann kann sich für das eine wie
für das andere frei entscheiden. Das Böse wie das Gute aber
verselbständigt sich, wenn der Mensch sich für eine
bestimmte Richtung entschieden hat. Weißmagische oder
göttliche Kräfte können ihm niemals schaden –
jederzeit kann er sich wieder davon lösen, wenn er die Hilfe der
guten Geister nicht mehr haben will. Anders ist das, wenn man sich
den Mächten der Finsternis verschrieben hat. Dies ist ein
Kontrakt auf Lebenszeit, und Körper und Geist desjenigen, der
sich mal für die Finsternis entschieden hat, sind Eigentum der
anderen. Hestus wollte das Böse ausmerzen. In diesem Garten hier
ist es ihm gelungen. Er ist eine wirkliche Oase – und
gleichzeitig ein Ort der Forschung…«
Carminia ging mit Macabros um den großen, weißen
Tempel herum. Breite Marmorstufen führten von allen Seiten in
das Innere dieser heiligen Stätte.
Dahinter befand sich ein großer, klarer See, der aussah, als
würde sich in ihm der Himmel spiegeln.
Unwillkürlich richtete Macabros den Blick in die Höhe.
Aber dort oben gab es keinen Himmel. Es war einfach eine weite,
beruhigende Helligkeit vorhanden, die alles ausleuchtete.
Schattenlos. Es war, als hätte Hestus irgend etwas gegen die
dunklen Schatten gehabt…
»Wir hatten vor, dich so schnell wie möglich zu
suchen«, ließ Carminia Brado ihn wissen. »Hier gibt
es einiges, das dich interessieren wird. Deshalb hatte ich vorhin
auch von einer Art Forschungsstätte gesprochen…«
Im Teich schwamm Pepe. Er winkte Macabros zu und peilte denn rasch
das Ufer an, um dabeizusein, als Carminia erklärte, worum es
ging und sie den hinteren Eingang des Tempels betrat.
Angenehme Dämmerung empfing sie. Man fühlte sich
geborgen und von einer wohltuenden Ruhe erfüllt, als man die
Stätte des Gebetes und der inneren Einkehr betrat.
Was Macabros jedoch im Innern dieser fast in
griechisch-römischem Stil errichteten Tempelhalle sah, verschlug
ihm den Atem.
Das paßte nun wiederum nicht hierher, weder zu den
Gärten noch zu der Tempelstätte.
Im Innern der Halle schwebten wie gewaltige Ballone riesige, dumpf
glühende Gesichter dämonenfratziger Wesen und
verführerisch schöner Frauen.
Macabros fuhr zusammen.
Das eine oder andere dieser lebenden Antlitze war ihm nicht
unbekannt.
»Phantoma!« entfuhr es ihm. »Mandragora…
Sequus…« Er starrte von einem Gesicht zum anderen.
Carminia nickte. »Das sind die Gesichter der sieben
Hauptdämonen, die ausgezogen sind, deine Kräfte
auszuhöhlen und dir Hindernisse in den Weg zu legen«,
bemerkte die schöne Brasilianerin mit ruhiger Stimme.
»Hestus hat sie schon gekannt. Seinem ruhelosen Forschungsgeist
ist es zu verdanken, daß jene Gesichter erhalten haben, die
sich lieber gesichtslos gaben.«
»Das sind die sieben Hauptdämonen, die mit
Rha-Ta-N’my verbunden sind«, fuhr Carminia Brado fort.
»Es sind deine Todfeinde. Hestus ist es gelungen, sie sichtbar
zu machen. Dies ist eine Botschaft, die einst Kaphoon, dem
Namenlosen, dem Sohn des ›Toten Gottes‹ galt… aber
erst jetzt, nach zwanzigtausend Jahren, kommt diese Nachricht an die
richtige Adresse. Hier hast du Gelegenheit, deine Feinde
kennenzulernen. Zumindest – einen Teil von ihnen, nämlich
jene, die du am meisten fürchten mußt. Sie waren schon
– als
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