Macabros 067: Arson - Gefangen im Nichts
ja… zwei
Finger!«
Da zuckten seine Hände zurück, und er verbarg sie hinter
dem Rücken.
»Es ist nichts. Das hat nichts zu bedeuten. Bei dem Unfall
ist etwas schiefgegangen. Es ist nicht weiter schlimm…«
Er lächelte ihr ins Gesicht. Und plötzlich sah sie
etwas, was sie mit neuem Grauen erfüllte.
Der Körper ihres Mannes verblaßte, und sie sah durch
den Leib hindurch die Terrassentür, die im Wind wehende
Wäsche, Schrank und Polstermöbel, die hinter ihm
standen.
Arnd Olin war nur noch eine Schemen, der sich wie ein Gespenst
auflöste.
»Arnd!« rief sie noch, ohne daß es ihr
bewußt wurde.
Ihre Stimme verhallte, und an der Stelle, wo sie ihren Mann noch
eben gesehen hatte, herrschte einen Moment ein kalter, eisiger
Luftzug, als ob jemand im Haus noch mal eine Tür geöffnet
hätte und hier im Zimmer Zugluft entstand.
Doch das war nicht der Fall.
Bis auf die Terrassentür waren alle anderen Türen und
Fenster im Haus verschlossen.
Es war der Luftzug einer anderen Welt, der Marika Olins Antlitz
fächelte…
*
Sie starrte in das leere Zimmer vor sich, und ihre Augen begannen
nach einigen Sekunden zu brennen.
»Arnd?« flüsterte sie. »Wo bist du? Warum
gehst du wieder fort?«
Sie stieß ihre Hände nach vorn, griff aber nur ins
Leere.
»Ich muß zurück auf die Welt, in die ich geraten
bin…«, hallte eine leise, sich rasch abschwächende
Stimme noch an ihre Ohren. Es handelte sich um ihres Mannes Stimme.
Doch ihn selbst nahm sie schon nicht mehr wahr. »Ich werde dir
vielleicht mehr sagen können, wenn ich… mehr weiß,
Marika… muß… gehen… es tut mir so leid! Bitte,
sei nicht traurig… traurig… traurig.« Wie ein Echo
verwehte sein letztes Wort.
Marika Olin war so verwirrt, daß sie in den nächsten
Minuten nicht wußte, was sie im einzelnen tat.
Sie ging zum Telefon und rief die Nummer an, die Kommissar Elnar
Bergstroem ihr gegeben hatte.
Damit konnte sie sein Büro direkt anrufen. Bergstroem war
schon dort.
Er wunderte sich, daß sie an der Strippe war, und fragte
nach ihren Wünschen.
»Ich hatte Besuch, Herr Kommissar, Sie werden es nicht
glauben, mein Mann… war eben hier…« berichtete sie
stockend.
Er stellte Fragen, und sie antwortete darauf. Alles konnte sie
jedoch nicht beantworten.
Bergstroem war sichtlich überrascht. Mit einer solchen Wende
der Dinge hatte er nicht gerechnet.
Er war noch dabei, die Akte anzulegen, als Marika Olin ihm diese
seltsame Neuigkeit mitteilte.
Er wollte es nicht glauben. Sagte die Frau wirklich die Wahrheit,
oder befand sie sich nach seinem Besuch nun in einem Zustand, wo es
eigentlich dringend erforderlich war, daß nicht er, sondern ein
Arzt mit ihr sprach?
»Wie sah Ihr Mann denn aus?« stellte er unerwartet die
Frage.
»So wie immer«, bekam er zu hören.
»Nein – bis auf eins, das war anders. Er war verletzt,
Herr Kommissar…«
Der hünenhafte Kripo-Mann am an deren Ende der Strippe zog
die Augenbrauen empor. »Verletzt?« echote er. »Wie hat
sich diese Verletzung denn geäußert, Frau Olin?«
Daraufhin sagte Marika Olin etwas, was sie eigentlich nicht wissen
konnte. Nur ihm, seinem Assistenten und dem Staatsanwalt waren diese
Fakten vertraut. Aber nun wußte es auch noch die Frau…
»Die beiden letzten Finger seiner rechten Hand… fehlten,
Herr Kommissar!«
Da wußte Elnar Bergstroem mit hundertprozentiger
Gewißheit, daß der ›tote‹ Bauarbeiter Arnd Olin
tatsächlich in diesen Minuten seiner Frau erschienen war.
*
Er war allein.
In einer Welt, deren Namen er nicht kannte, von der er nicht
wußte, wo sie sich befand.
War dies ein anderer Stern?
Arnd Olin blieb stehen. Sein Blick schweifte in die Ferne, und er
hatte das Gefühl, in eine Unendlichkeit zu sehen, die nur
unterbrochen wurde von niedrigen, bizarren und kahlen Felsen, von
flachen und wulstigen Mulden, zwischen denen kreisrunde Tümpel
standen, in denen spiegelglatt eine grüne Flüssigkeit
lag.
Die Luft war kühl und frisch. Das erstaunte ihn. Er atmete,
obwohl ihm schien, daß diese Welt, die entfernt an den
irdischen Mond erinnerte, gar keine Lufthülle hatte. Arnd Olin
vermißte das Blau des irdischen Himmels und doch konnte er tief
durchatmen.
Schritt für Schritt ging er weiter, dachte an seine Tochter,
seine Frau, an die Arbeitskollegen und Freunde, die von seinem
grausigen Schicksal gehört hatten, ohne wahrscheinlich zu
begreifen, daß es gar nicht dazu gekommen war.
Er versuchte, diesen Augenblick der großen
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