Macabros 106: Die gläsernen Dämonen von Etak
Podest.
Nur noch wenige Zentimeter trennten Schatten und Glasdämon
voneinander. Wenn es zur Berührung kam, war Harry Carson auch
nur noch Glas…
*
Grauenerfüllt erkannte Macabros, daß er es nicht mehr
schaffte.
Der Abstand zwischen dem Sockel des betreffenden Dämons und
ihm war zu groß!
»Neeeiiin!« Er brüllte wie von Sinnen, so laut,
daß es schauderhaft aus allen Ecken und Winkeln hallte.
Sein Aufschrei bewirkte, was er wollte.
Ein kurzes Zögern des schwärzlich durchscheinenden
Glasschattens…
Ein Zögern, kurz wie ein Atemzug. Noch trennten Millimeter
Schatten und Glasdämon voneinander.
Macabros hatte eine Sekunde gewonnen.
Er schnellte wie ein Pfeil durch die Luft und ließ sich
durch das Zögern des wandelnden Schattens nicht aufhalten.
Und dies war genau die Sekunde, die er brauchte!
Während er sprang, hielt er so weit wie möglich Hand und
Schwert nach vorn ausgestreckt, um jeden Millimeter Abstand zwischen
sich und Glasschatten zu überbrücken.
Macabros’ Rechnung ging auf.
Das gegen den Dämonischen gerichtete Schwert traf sicher ins
Ziel. Es klirrte hell, als Macabros den Schattenkopf vom Rumpf
trennte. Die Teile fielen splitternd auseinander. Woran sich Harry
Carson noch auf Xantilon mit seinem Schwert vergebens versucht hatte,
hier gelang es mit dem besonderen Schwert eben auch ohne besondere
Anstrengung.
Carson fiel auf die obersten Stufen. Das schwärzliche Glas
lag um ihn herum wie eine bizarre, erstarrte Blutlache, Glassplitter,
die sich klirrend bewegten und über den Boden kratzten, als er
zu sich kam und verwirrt um sich griff. Macabros war ihm behilflich,
auf die Beine zu kommen.
»Was ist… los, verdammt?« waren die ersten Worte,
die über Carsons Lippen kamen. »Wo bin ich… denn
hingeraten?«
»In die Welt der gläsernen Dämonen von Etak,
Harry… aber es hat Scherben gegeben, wie du siehst. Ich bin
etwas zu hart eingestiegen, das haben sie nicht vertragen. Aber nun
nichts wie weg hier, ehe es vielleicht zu weiteren
Überraschungen kommt, auf die keiner von uns versessen
ist…«
*
Sein Verdacht erfüllte sich schneller, als ihm lieb war.
Zwischen den Kristall-Blöcken tauchten weitere Glasschatten
auf. Es wurden immer mehr. Jene Dämonen, die imstande dazu
waren, diese Kraft zu mobilisieren, wurden aktiv. Doch die
Verzögerung, mit der es geschehen war, ermöglichte es
Macabros und Harry Carson, ungeschoren davonzukommen.
Sie erreichten das schimmernde Netz, das wie aus hauchdünnen
Fäden errichtet mitten vor ihnen in der Luft stand und am Boden
verankert war.
Die beiden Loark-Frauen waren schon nicht mehr zu sehen. Ihr
Rückweg war offensichtlich geglückt.
Und auch Macabros’ und Harry Carsons Flucht von der Welt der
gläsernen Dämonen gelang.
Harry Carson verschwand zuerst in dem blutroten Licht, dann folgte
Macabros. Und er ›versiegelte‹ das Tor nach Etak. Mit dem
Schwert hieb er die schimmernden Fäden durch.
Dämonengespinst. Es rumorte, schrie und jaulte, als würden
stählerne Fräsen sich in Granitgestein fressen.
Das rote Licht, in das er sank, flackerte unruhig… Unruhig
und wackelig war auch der Übergang zurück nach Xantilon.
Erst rotes Licht, dann das Dunkel der Dschungelnacht, die vertrauten
Geräusche, die glücklichen Gesichter der Loark, die sie
jubelnd empfingen.
*
Noch in der gleichen Nacht ordnete Macabros an, den steinernen
Altar einzureißen. Zuerst wurde das netzartige Gebilde
zerstört, dann riesige Löcher und Risse in die Mauer
geschlagen, bis einzelne Steine herausbrachen.
Bis zum Morgen, das wußte Macabros, würde der Altar bis
zu einem Drittel abgetragen sein. Bis zum Abend dann der Rest.
Unbeschädigt blieb das Standbild des ›Toten
Gottes‹…
Ein weiteres Kapitel in der Legendenbildung um den ›Toten
Gott‹ war mit der Versiegelung des Tores nach Etak, mit dem Ende
des Einflusses von dort nach Xantilon und dem Abriß des Altars
aus den Steinen des Kolossal-Götzen-Standbildes
abgeschlossen…
Wenn die letzten Reste beseitigt waren, wollte er
zurückkehren nach Un, um weitere Informationen bei den drei
Zauberinnen über das ›Singende Fahsaals‹ einzuholen
und nach dem rätselhaften Auftauchen der göttlich
schönen Daiyana forschen, deren Erscheinung in nicht geringem
Maß zu seinem Erfolg beigetragen hatte…
Zuerst aber – das hatte er den anwesenden Loark-Frauen und
-Männern versprochen – wollte er mit ihnen gehen in Aggars
Wüstenzone, um die ›Stadt der
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