Macabros 112: Totenheer "Nekromos"
Opfer, der auch
andere Menschen umgebracht hat und den die Polizei bis zur Stunde
nicht gefaßt hat.«
»Es sind Zeichen… ich ahne ein Unglück, ich
fürchte um Berrys Leben.«
»Wieso denn das?«
»Frag’ mich nicht, Stuart. Ich kann es dir nicht
erklären. Da stimmt etwas nicht… Es ist ein Komplott im
Gang. Ich soll daran gehindert werden, Berry Malcolm zu
ehelichen.«
»Ein Komplott, Eve? Wer sollte das gegen dich geschmiedet
haben?«
»Ich muß plötzlich ständig an Pamela denken.
Mit dem Unfall ihres Freundes stimmte auch etwas nicht. Unsichtbare
Mächte hätten eine Rolle gespielt, vertraute sie mir an.
Wahrscheinlich wirst du mich für verrückt halten, Stuart.
Aber ich glaube an solche Dinge, ich glaube an Geister und
Dämonen!«
»Es gibt sie nicht! Alles hat eine natürliche
Erklärung. – Ich mache dir einen Vorschlag, Eve. Es war
alles ein bißchen viel, was da auf dich eingestürmt ist.
Du kannst in diesem Zustand unmöglich nach Hause fahren.
Bleib’ heute nacht hier… Das Haus ist groß
genug.«
»Das geht nicht. Vielen Dank für das Angebot.«
»Und warum geht es nicht?«
»Berry könnten anrufen. Ich bin schon viel zu lange von
zu Hause weg. Ich erwarte noch einige Instruktionen…«
»Bei Berrys Lebensstil ist damit zu rechnen, daß er
sich auch nach Mitternacht noch mal meldet«, sinnierte Mayburry.
»Du selbst kannst ihn nicht erreichen, und ich kann mir denken,
daß du ihm auch einiges zu sagen hast für den Fall,
daß er dich wirklich nochmal anruft. Allein nach Hause fahren
laß’ ich dich auf keinen Fall, Eve. Ich werde dich
begleiten.«
»Das ist sehr lieb von dir, Stuart, aber nicht
nötig.«
»Was nötig ist, sehe ich im Moment besser als
du.«
Er hatte recht. Sie fühlte sich schwach und zittrig, auch
wenn sie es nicht offen zugab.
Eve Taskin sah sich ein letztes Mal in der Runde um und
verließ dann achselzuckend das Haus. Stuart Mayburry
löschte hinter ihr sämtliche Lichter und verschloß
die Tür.
Eve Taskin stand auf dem schmalen Bürgersteig und blickte die
Straße entlang. Ihr Blick verlor sich in der Ferne, und in der
Dunkelheit ahnte sie die Umrisse der verwitterten Friedhofsmauer
mehr, als sie sie sah.
Der Friedhof…
In der kühlen Erde ruhte der Körper Betsy
Holborns…
Eve Taskin vernahm das Aufheulen des Motors, als Mayburry seinen
Wagen aus der Garage fuhr.
Er rollte an den Straßenrand und parkte vor Eve Taskins
Auto.
»Okay, wir können, Eve.«
Sie stand da wie eine Statue und blickte noch immer die
Straße entlang. »Nicht sofort, Stuart. Mir ist da ein
Gedanke gekommen… Betsy Holborn ist auf diesem Friedhof
beerdigt, nicht wahr?«
»Ja.«
»Der Zeitpunkt mag vielleicht nicht richtig gewählt
sein… Aber ob man einen Friedhof morgens, mittags, abends oder
nachts betritt, bleibt sich eigentlich gleich. Nur in der Phantasie
der Menschen haben Friedhöfe nachts etwas Unheimliches.
Ich dachte auch immer so. Aber im Augenblick kann ich bei dem
Gedanken, jetzt dorthin zu gehen, keinerlei Furcht empfinden.
Begleite mich, Stuart. Vielleicht ist das, was ich jetzt tue, auch
ein Teil meines Traums, und ich werde aufwachen, wenn ich
Gewißheit habe. Die nämlich – habe ich immer noch
nicht. Ich habe deine Worte vernommen, kann sie aber nicht fassen.
Ich will Betsy Holborns Grab sehen…«
*
Sie war plötzlich ganz in sich gefestigt und empfand so etwas
wie Genugtuung, daß sie den Mut faßte, so etwas zu
verlangen.
Stuart Mayburry unternahm auch nicht den Versuch, Eve von ihrer
Idee abzubringen.
Er schaltete den Motor ab.
»Gehen wir zu Fuß. Bis zum Friedhof sind es nur wenige
Schritte.«
Er hakte sich bei ihr ein, und sie gingen durch die stille, dunkle
Nacht.
Aus der Finsternis schälte sich die verwitterte Mauer, die
den Totenacker umgab.
Das Tor war beigezogen, nicht abgeschlossen.
Mayburry drückte den linken Flügel so weit zurück,
daß der entstehende Spalt breit genug war, um sie beide
durchzulassen.
»Weißt du, wo ihr Grab liegt?« raunte Eve Taskin.
Unwillkürlich redete sie noch leiser.
»Ja.«
Buchen, alte Eichen und hin und wieder eine Weide säumten den
Mittelpfad, den sie gingen.
Sie passierten die kleine Kapelle.
Hinter bleiverglasten Fenstern flackerte ein einsames,
rötliches Licht.
Betsy Holborns Grab lag ganz hinten, direkt an einer Mauer.
Frische Blumen und zwei Kränze bedeckten den
Grabhügel.
Ein Stein oder Kreuz war noch nicht errichtet worden.
Auf den hellen Bändern der Kränze war der
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