Macabros 120: Giftstachel des Skorpion-Dämons
Angst und
Sauerstoffmangel ausgelöst – näher…
Sie merkte, wie ihre Sinne schwanden, wie sie abrutschte und in
ein riesiges, finsteres Loch zu stürzen drohte. Eine bodenlose
Tiefe… ohne Rückkehr…
Plötzlich vernahm sie eine Stimme. Leise und fern.
Desirée Mallon war außerstande zu sagen, ob diese
Stimme von außerhalb kam, durch die Bettdecke gedämpft
wurde, oder ob sie sich in ihrem Kopf meldete.
Eine Stimme, die sie sich nur einbildete.
»Du mußt mir gehorchen!« durchpulsten die Worte
ihr fieberndes Hirn kaum hörbar und doch eindringlich.
»Wer… bist… du?« Sie wußte nicht, ob sie
die Lippen bewegte oder nicht. »Was… willst du von…
mir?«
»Bald… wirst du wissen… wer ich bin… Jetzt
spielt mein Name noch keine Rolle… Tu, was ich dir
sage.«
»Und… was… soll ich tun?«
Desirée Mallon dachte die Worte nur und befand sich auf
einer Grenze zwischen Wachsein und Bewußtlosigkeit, wo es
bereits anfing, daß ihr Schicksal ihr gleichgültig
wurde.
»Zu mir kommen… bei mir sein… Ich habe dich
ausgewählt.«
»Wozu?«
»Das alles wirst du erfahren, wenn du hier bist.«
»Und wohin soll ich mich begeben?«
»Ich werde dir dein Reiseziel noch nennen… Wenn es so
weit ist… noch heute… in der Nacht… oder auch
morgen… es ist abhängig von einigen anderen Dingen…
Wenn es so weit ist, wenn die Zeit reif ist, werde ich dich
einweihen. Halte dich bereit, und du wirst leben…«
Leben!
Ja, das wollte sie…
Der Druck hatte nachgelassen, aber sie merkte es nicht.
Ihr Herz schlug nur noch schwach, ihr Puls war kaum noch zu
fühlen.
Wärme hüllte sie ein. Und – Vergessen…
*
Das Gefühl, noch zu leben, kehrte viel später wieder
zurück.
Desirée Mallon begann sich zu regen und streckte die linke
Hand aus. Sie glitt durch die Ritze zwischen Matratze und Bettdecke.
Ein angenehm kühler Hauch streifte das Gesicht der blonden
jungen Französin.
Desirées Atem verstärkte sich, ihre Unruhe nahm
zu.
Sie stieß die Decke weiter zur Seite, räkelte sich, und
es war im ersten Moment so, als hätte sie tief geschlafen und im
Schlaf das Federbett über den Kopf gezogen.
Mit dem Erwachen kam die Erinnerung, an das Ereignis – und an
die Worte.
Desirée Mallon zuckte zusammen, riß die Beine an und
schleuderte mit einem Ruck die Bettdecke vollends zurück.
Sie hatte das Gefühl, sich von einem Zentnergewicht zu
befreien.
»Oh, mein Gott«, stöhnte sie und fuhr durchs
gelockte Haar. Sie war durchgeschwitzt bis auf die Kopfhaut und
merkte, daß der seidigschimmernde Pyjama auf ihrer Haut
klebte.
Sie richtete sich auf. Es war die vertraute Umgebung.
Draußen war es noch immer grau und trüb.
Wieviel Zeit war vergangen?
Die Frau warf einen Blick auf den Wecker an ihrer Seite.
Zehn nach sieben?
»Aber… das kann… doch nicht sein!« stammelte
sie im Selbstgespräch.
Ihr entging das Zittern in ihrem Körper nicht.
Sie fühlte sich elend und ausgepumpt, als hätte sie
schwere Strapazen hinter sich und – keinen Schlaf. Doch sie war
eben aufgewacht, hatte demnach nochmal geschlafen…
Die Zeitung lag in der Ecke neben dem Bett auf dem Boden. Die
Seite mit den Stellenanzeigen war noch aufgeschlagen.
Sie hatte heute morgen – wie an all den Morgen in den
vergangenen Tagen zuvor – das Blatt schon gelesen.
Aber das andere…
Der Schatten, der Versuch, sie zu ersticken…
Ihre Angst verstärkte sich wieder, wenn sie erneut
darüber nachdachte.
Sie stieg aus dem Bett. Ihre Knie waren weich wie Pudding.
Sie suchte das winzige Badezimmer auf, in dem nur eine Sitzwanne
Platz hatte. In diesem Altbau an der nördlichen Peripherie von
Paris ließ es sich billig leben, wenn man auf einige
Annehmlichkeiten verzichtete.
Desirée starrte in den Spiegel.
»Ich seh furchtbar aus«, erschrak sie vor ihrem eigenen
Anblick.
Ihre Haut war weiß und teigig, unter den Augen lagen tiefe
Schatten und Tränensäcke.
Die Frau drehte den Wasserhahn an, hielt die Hände
trichterförmig unter den Strahl und tauchte dann ihr Gesicht in
das kalte Wasser, das sie auffing, um sich zu erfrischen, um ihre
Lebensgeister zu wecken.
Sie starrte hinaus in den Wohn-Schlafraum.
Das schmale, hohe Fenster mit Blick über die Dächer von
Paris war angelehnt, damit frische Luft hereinkam.
Die Stellung der beiden Fensterflügel war genau so wie am
Abend zuvor, als sie ins Bett gegangen war.
Der Fremde…, der Schatten… hatte also das Fenster als
Einstieg nicht benutzt. Es war auch
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