Macabros 121: Höllenmarionetten
keine Spur von Susan Kelly fand,
benachrichtigte die Frau die Polizei, die eine Viertelstunde
später am Ort des Geschehens eintraf. Nochmal erzahlte Grit
Boerhave ihre Geschichte, die man ihr nicht so recht abnehmen wollte.
Auch die beiden Polizeibeamten, die sich gründlich in der nun
schon geöffneten Wohnung umsahen, meldeten ihre Zweifel an.
»Vielleicht hat sie es sich im letzten Moment anders
überlegt – und wollte allein ausgehen«, meinte der
erste Polizist, ein hagerer, sommersprossiger Mann mit heller Haut
und fahlem Haar.
»Wir waren verabredet«, beharrte Grit Boerhave auf ihrer
Aussage.
»Sie kann sich trotzdem anders entschieden haben…«,
meinte der zweite Uniformierte. Er war einen Kopf größer
als der Sommersprossige. »Und um Ihnen nicht zu begegnen, hat
sie schließlich den Hinterausgang benutzt.«
»Das klingt aus Ihrem Mund zwar logisch, und es ist
verständlich, daß Sie auch diese Überlegung
anstellen«, entgegnete die Frau leise, »aber es paßt
überhaupt nicht zu dem Verhältnis, das ich zu Frau Kelly
habe.«
»Vielleicht hat es sich plötzlich geändert. Sie
kann von sich aus das Verhältnis gelöst haben.«
Die beiden Beamten sahen das alles mit anderen Augen.
»Meine Freundin Susan ist verschwunden, und Sie haben die
Pflicht, sie zu suchen«, sagte sie unwillig. »Ich gebe
hiermit eine Vermißtenanzeige auf.«
»Meinen Sie nicht, daß es dazu noch ein bißchen
zu früh ist?« fragte der erste Polizist sie.
»Vielleicht ist sie nur spazieren gegangen… oder hat sich
einen Scherz mit Ihnen erlaubt – und in zwei, drei Stunden
taucht sie wieder auf. Sie sehen doch selbst ein, daß jemand
vom vierten Stock bis zur Haustür nicht einfach spurlos
verschwinden kann.«
»Ja, das sehe ich ein«, murmelte Grit Boerhave
kleinlaut. »Aber irgend etwas stimmt da nicht… Sie war
heute morgen schon so merkwürdig.«
»War sie anders als sonst?« hakte der Polizist sofort
nach und wechselte rasch einen Blick mit seinem Kollegen.
Die Frau erzählte, was Susan Kelly ihr anvertraut hatte.
Da nickte der Uniformierte. »Sie scheint wohl ein
bißchen durcheinander gewesen zu sein, wie?«
»Wenn Sie mich so fragen… muß ich natürlich
mit ›ja‹ antworten.«
Damit bestätigte sie indirekt eine Art Verwirrungszustand bei
ihrer Freundin und dementsprechend erfolgte die Mitteilung über
Funk an die Polizeizentrale.
Grit Boerhave konnte eine sehr gute Beschreibung ihrer Freundin
geben, nicht angeben konnte sie allerdings die Kleidung, die sie
trug. Schließlich hatte sie Susan Kelly seit dem kurzen Winken
vom Balkon aus nicht mehr gesehen. Und das war so schnell gegangen,
daß sie sich an Einzelheiten nicht mehr erinnerte.
Es begann das große Warten. Etwas anderes blieb gar nicht
übrig.
Grit Boerhave fuhr nachdenklich und bedrückt nach Hause. Der
Wunsch, eine Fahrt nach Amsterdam oder Scheveningen zu unternehmen,
war bedeutungslos geworden.
Sie wußte nicht mehr, was sie von all den Ereignissen der
letzten Stunden denken und halten sollte…
*
Auf dem Rummelplatz war allerhand los. Hämmernde Musik,
Ansager, die über Lautsprecher ihre Sensationen anpriesen,
Menschen, die lachten. Ein kunterbuntes Durcheinander, eine
schillernde, unwirkliche Welt, die für einige Stunden
Spaß, Entspannung und Vergnügen versprach.
Aus der Geisterbahn wurden die Schreckensschreie ins Freie
hinausgetragen. Menschen drängelten sich an diesem milden
Sommerabend in den Bierzelten und Losbuden. Schiffschaukeln und
Karussells waren gut besetzt.
Viele Kinder und Jugendliche waren zu sehen.
Einige von ihnen trugen Lampions oder große Herzen mit
Aufschriften aller Art.
Wieder andere waren maskiert als Hexen, Vampire, Tiermenschen oder
Monster. Mit Einbruch der Dunkelheit hatte ein Unternehmen, das
Masken und Kostüme dieser Art fertigte und ebenfalls einen Stand
auf dem Rummelplatz hatte, zum ›Monster-Fest‹ geladen.
Viele, die daran teilgenommen hatten, trugen auch beim weiteren
Bummel über den Platz ihre Masken und Kostüme.
Neugierig verfolgten einige Besucher diese Jugendlichen mit
Blicken.
So fand auch ein Junge, der mit zwei anderen auf dem Weg zu einer
Schiffschaukel war, das Interesse einiger Leute.
Ein Halbwüchsiger, der mit seinen Eltern unterwegs war, bekam
große Augen, als er einen Jungen sah, der einen kugelrunden
Kopf hatte, runde, wimpernlose Augen, einen breiten Mund, der ein
eigenartiges Grinsen zauberte.
Auf der Mitte des kugelrunden Kopfes begann ein hornartiger
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