Macho-Mamas
Ruhe einkehrte, das Fieber sank und nach einer Weile auch die beiden Macho-Mamas die Diagnose bestätigten: Zickenkrieg. Natürlich erst, nachdem sie die Sache vom Tisch gewischt hatten. Das ist zwar nicht gut für die Dramaturgie dieser Geschichte, aber es war gut für den Blog, also die Arbeit, also die Macho-Mamas, also ihre Familien.
Die erste Macho-Mama kostete das sehr viel mehr Pragmatismus, als sie je geglaubt hatte, aufbringen zu können. Aber sie hatte sich vorgenommen, aus der Puppenecke des Berufslebens herauszutreten. Bisher hatte sie ihre Arbeit stets bescheiden vor sich hergetragen, wie eine schicke, aber schlichte Handtasche, von der man hofft, dass sie zwar bemerkt wird, aber nicht aufdringlich wirkt. Sie verhielt sich erst recht so, seit sie Mutter war und nicht mehr so flexibel wie die Kollegen. Damit war sie stets gut gefahren, aber nicht vorwärtsgekommen. Die andere Macho-Mama hatte ihr das deutlich gemacht. Und sie hatte entschieden, dass sie diese Kuh nicht lieben musste, aber von ihr lernen konnte. Also schluckte sie ihren Frust, ihren Hass, ihre Enttäuschung hinunter.
Die andere Macho-Mama war ebenfalls erzürnt, weil ihr schon wieder jemand vor die Nase gesetzt wurde, der zwischen ihr und der ersehnten Anerkennung stand. Aber sie begriff auch, dass sie die Spielregeln einhalten musste, wenn sie mitspielen wollte. Also setzten sich die beiden Frauen in eine Bar und knüpften dort an, wo der Faden vor Monaten gerissen war.
Die beiden Macho-Mamas machten sich gegenseitig Vorwürfe, bis das erste Glas leer war. Dann ärgerten sie sich bei einem zweiten Bier gemeinsam über den Begriff Zickenkrieg. Darüber, dass noch immer jeder Konkurrenzkampf unter Frauen so bezeichnet wird. Zickenkrieg schien ihnen nach einigem Überlegen plötzlich symptomatisch für vieles, was sie in ihrem Blog abgehandelt hatten: für den Ehrgeiz, den man ihnen als Töchter der Emanzipation anerzogen hatte und der sich nicht einfach kappen lässt mit der Nabelschnur des ersten Kindes. Für die fragwürdige, aber nicht totzukriegende Illusion, dass die Mehrheit der Menschen – die Frauen – sich qua Geschlecht solidarischer verhalten als Männer. Für den Mangel an Konkurrenzlust, der Frauen immer wieder vorgeworfen wird und für den sie sich tatsächlich nicht zu schön sein dürfen, wenn sie im Beruf weiterkommen wollen.
Also klopften die beiden Mamas einander auf die Schultern und beschlossen, Macho genug zu sein, um sich nach der Schlacht den Staub vom Rock zu wischen und weiterzumachen. Und zwar gerade nicht aus Solidarität, sondern aus Berechnung. Denn bei aller Verschiedenheit wollten sie eine gemeinsame Geschichte erzählen: die Geschichte einer Generation von Frauen, die sich zwar den Kinderwunsch erfüllt, dabei aber einen Kindertraum verloren hat. Den Traum nämlich, dass es keine Rolle spielt, zufälligerweise als Mädchen geboren worden zu sein.
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Generation Golf reloaded oder
Generation Spagat
Macho-Mama ist am Ende. Sie sitzt auf dem Boden, ihre Binde ist voller Wochenfluss, im Bettchen vor ihr wimmert das Baby und verlangt nach ihren wunden Brüsten. Eine innere Stimme sagt: «Steh auf!» Aber die innere Stimme ist nicht mehr vertrauenswürdig. Es ist Dienstagmorgen oder Mittwochnachmittag – die Wochentage haben sich übereinandergeschoben und ihre Bedeutung verloren.
In der Woche sieben post partum, im neuen Leben als Mutter, ist nichts mehr, wie es früher war. Angefangen beim Bauch, der sich einst wie eine doppelspurige Autobahn vom Schambein bis unter die Rippenbögen spannte. Jetzt befinden sich dort Falten aus Haut, weich und fremd und ganz ohne Zentrum. Schlaf ist nurmehr ein leeres Wort, das Dasein eine endlose Abfolge aus Stillen und Wickeln. Das Hirn ist zur Arbeitslosigkeit verdammt, reduziert auf den Instinkt, das Baby achtmal täglich anzusetzen und darauf, die dunkle Ahnung in Schach zu halten, dass Mutterliebe, so überwältigend sie auch hereingebrochen war, nicht reichen könnte – um glücklich damit zu werden, den heutigen Tag morgen zu wiederholen. Niemals zuvor und niemals später hatte Macho-Mama so sehr das Gefühl, dass die Option, die sie gewählt hatte, sie aus dem Leben drängte, auf das sie sich so selbstverständlich verlassen hatte.
Das war im Jahr 2000. Gerade hatte Florian Illies die Generation Golf ausgerufen, und man muss dieser Mutter das Selbstmitleid verzeihen, denn sie gehört zu ebendieser Generation der zwischen 1965 und 1975
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