Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)
werben um die Filmrechte für ihre Stoffe. Bernd Eichinger überzeugt sie auf der Terrasse seines Hollywood-Anwesens; da fühlt sie, die Rolltreppe ist ganz oben. Katja Riemann, Veronika Ferres, Iris Berben, die Stars der deutschen Filmbranche, füllen die von ihr geschaffenen Figuren aus. Und ihr Selbstwertgefühl. Sie zählt die roten Teppiche, sammelt die Zeichen der Bedeutung ein, verliert die Skepsis für Momente, berauscht sich sogar manchmal an ihrem Erfolg und kehrt doch immer an ihren inneren, mit Zweifeln gedeckten Familienabendbrottisch zurück.
Der Teebeutel windet sich gefügig unter dem straffen Zug des Fadens, als Hera Lind mir ihre Geschichte erzählt. Sie kommt direkt von ihrer täglichen Laufeinheit, uneitel frisiert, aufgeweckt und zugänglich. Die Einladung einer regionalen Fernsehsendung, in der sie gleich für ihr neues Buch werben wird, hat sie dankbar angenommen und zu einem Wochenendausflug nach Hamburg inklusive Musical-Besuch mit ihren Töchtern genutzt. Die kurzen Stippvisiten der beiden Mädchen, die die Errungenschaften des großstädtischen Shoppingangebotes präsentieren, sind die einzigen Ablenkungen, sonst bleibt das Fernsehgesicht an diesem Nachmittag unerkannt. Liebevoll registriert sie den umsichtigen Einsatz ihrer Töch- ter der ihnen anvertrauten Kreditkarte. Achtsam, beinahe beschützend, nehmen die beiden Teenager die Szenerie um ihre Mutter auf, erkennbar sensibilisiert dafür, Bedrohung zu erspüren. Hera Lind genießt die Nähe zu ihren Kindern und ganz besonders genießt sie, dass mir diese Nähe auffällt.
Es war kein großer Moment, der ihr Leben verändert hat. Kein medienwirksamer Skandal, kein abgestürzter Börsenkurs, keine verlorene Wahl. Es war der Abend einer halbprivaten Geburtstagsfeier. Der Tag, an dem sie sorglos ihr frisches Liebesglück in die Welt tanzte. Und damit die Rolle der Heldin verließ und zur tragischen Figur ihres eigenen, ganz persönlichen Stückes wurde.
Verstanden hat sie diesen Einschnitt bis heute nicht. Sie hat eine neue Liebe gefunden. Eine Lebensentscheidung getroffen. Wie Millionen andere auch. Die Behauptungen, sie habe die vier Kinder bei ihrem Ex-Partner zurückgelassen, um ihr neues Glück zu leben, waren Falschmeldungen. Die Töchter leben nach wie vor bei ihr in Salzburg, die beiden Söhne, längst erwachsen, schauen regelmäßig vorbei und sind ihr so verbunden wie in all den Jahren nach der Trennung von ihrem Lebensgefährten. Und doch hat sie einen Großteil ihrer Anhängerinnen mit dieser Entscheidung verloren. Zu eklatant unterschied sich das öffentlich gezeichnete, von Hera Lind unbedarft ausgemalte Bild von den Rollenmodellen der nachgeeiferten Heldinnen. Es passiert ihr noch heute, dass sie gefragt wird, ob sie ihre Kinder inzwischen wieder regelmäßig sehe. Auch wenn sie nie voneinander getrennt waren. Wie auch immer das Bild der Rabenmutter entstand, die allzu laut ihr Liebesglück feierte, der Bruch, der daraus folgte, war radikal.
Hera Lind versucht nicht mehr, Erklärungen zu finden für die Wucht, mit der sie das mediale Urteil ebenso traf wie der Liebesentzug ihrer Leserinnen. Sie hat sich eingerichtet. In einer neuen Stadt, in der sie seltener angesprochen wird, aber immer freundlich. In einer kleinen Wohnung, die niemand kennt, nicht mehr in einem glamourösen Haus, in das sie die Boulevardleserinnen bis in den begehbaren Kleiderschrank einlud. Sie wirkt gefestigt, auch wenn der Einschnitt tief in ihr Leben hineinreicht. Ihr neuer Mann verlor seinen Managerposten auf einem namhaften deutschen Kreuzfahrtschiff. Das Publikum sei zu konservativ für solch öffentliche Liebeleien. Obwohl genau das die Storyboards der Filme sind, die auf dem Schiff gedreht werden. Aber es ist nur eine Traumschiffwelt, »die Wirklichkeit darf so nicht sein«. Sie erzählt diese Groteske ohne Angriffslust. Der Hotelmanager blieb sechs Jahre ohne Job, bis er bei einem Arbeitgeber fern der deutschen Yellow-Press-Magazine eine Anstellung fand. Inzwischen verbringt er acht Monate des Jahres bei dieser Reederei in den USA. Nur vier Monate im Jahr ist er zu Hause bei seiner Familie.
Erfolg multipliziert sich auf so rasante Weise, dass der Erfolgreiche oft selbst zum außenstehenden Beobachter des eigenen Aufstiegs wird. Manchmal bleiben die begünstigenden Faktoren dieser Dynamik dabei selbst für den Profiteur diffus. Die Weggefährten des Misserfolges hingegen sind in jedem Augenblick sichtbar.
Die Bestsellerautorin hat sich nicht
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