Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)
junger Mann, der nachdenkt, bevor er spricht, und sich dann um die Vermeidung von Worthülsen bemüht. Der Bücher liest, Kolumnen schreibt und beim Jubeln keine Botschaften versendet oder mit exzentrischen Gesten brüskiert, sondern bekennt, sich ziemlich blöde zu fühlen, für zwei oder drei Sekunden im Fokus und nicht zu wissen wohin mit sich und seiner Freude. »Ich treffe ja auch nicht so oft«, sagt er dann und man weiß nicht recht, ob er damit Bedauern oder Erleichterung ausdrückt.
Vieles in ihm bleibt auf diese Weise ambivalent. Der nachdenkliche Mann mit der Faszination für die britische Raubeinigkeit. Ein Individualist, der gegen den Konformitätszwang aufbegehrt und seine Bücher nach den ersten flapsigen Sprüchen zu Hause lässt. Die tiefe Verletzlichkeit, die die Einschnitte seiner Karriere hinterlassen, und der tapfere Pragmatismus, mit dem er stets darüber hinwegzugehen imstande ist. Die Lust, mit Leistung herauszuragen, und das Bedürfnis, im Schutz des Teams unsichtbar zu bleiben. Die Scheu im professionellen Kontakt mit der Öffentlichkeit und die Sehnsucht danach, als Person wirklich erkannt zu sein.
Er hat sich auseinandergesetzt mit den Erwartungen und mit seiner Rolle, »die sich im Verlauf meiner Karriere häufig veränderte«. Nach der Europameisterschaft 2008 hat ihn sein Trainer zum Kapitän gemacht. Eine Auszeichnung nicht nur als Sportler, sondern auch als Persönlichkeit. So sieht er das. Doch die Anspruchshaltung wurde schnell zur Last. Vor allem seine eigene. »Da gingen die Probleme los«, benennt er den Wendepunkt in seiner Bilderbuchkarriere. Er wollte ein guter Kapitän sein, einer, der sich kümmert und Einfluss nimmt, nicht einfach die Armbinde spazieren trägt. »Ich habe mich aufgerieben, zwischen all den Erwartungen und meinen eigenen Gedanken.« Es hat ihm nicht mehr gereicht, der Beste auf dem Feld zu sein. Als es über Wochen schlecht lief, das Team unter seiner Führung häufiger verlor als gewann, nahm ihm der Trainer das Amt und damit in seinen Augen die Würde. »Einfach so«, erzählt er noch immer ungläubig, »er sagte mir, ich sei der ideale Kapitän, aber irgendwas müsse verändert werden.« Die Außenwirkung hat ihn schwer gekränkt. In seinem Inneren war der Riss nicht mehr zu kitten.
Der Trainer konnte sich mit dieser Maßnahme nicht aus dem Schlamassel ziehen. Unter dem neuen Mann, mit einem neuen Kapitän, begann der VfB wieder häufiger zu gewinnen. Thomas Hitzlsperger war verletzt in dieser Zeit und verzichtbar geworden. Auf der Tribüne verfolgte er die Siege seines Teams »irgendwie unbeteiligt«. Es war kein Platz mehr für den Nationalspieler, für den idealen Kapitän. Nebenbei hat man ihm das gesagt, irgendwann kurz vor Weihnachten. Nicht so ganz deutlich, aber eben so, dass er verstand. »So ist nun mal das Geschäft«, konstatiert er mit der ihm eigenen Disziplin, die im Widerspruch zu den Zweifeln steht, die ihn mehr und mehr von seiner Lieblingsbeschäftigung entfernen.
Es ist ihm ein bisschen unangenehm, wenn er allzu offen über die Schattenseiten des Traumjobs aller kickenden Jungs spricht. Die versteht auch niemand, selbst wenn er sich mal ein Herz fasst und versucht, sich zu erklären. Und so relativiert er sich immer wieder selbst. Umdribbelt die eigene Entfremdung, jongliert mit mildernden Floskeln. Es geht eben nicht um den Einzelnen in diesem Geschäft. Der Erfolg steht über allem. Und doch agiert jeder für sich allein. Er verdient viel Geld, das sei schon so. »Aber durch Geld allein empfindet man kein Glück.« Der immense Druck wird dadurch nicht gepolstert. Auch nicht das unausgesprochene Gesetz, keine Schwäche zeigen zu dürfen, weil selbst der Mitspieler eher Konkurrent ist als Freund.
Um seine Teilnahme an der WM 2010 zu retten, ist er nach Italien gegangen, zu Lazio Rom. Eine verheißungsvolle Zukunft sollte es sein, und es wurde »ein mittleres Drama«. Der Trainer, der ihn ausgesucht hatte, war nach dem ersten Spiel bereits entlassen, der nächste hatte keine Verwendung für ihn. Geschichte wiederholt sich. Er kämpft um die WM, trainiert sich in die »Form seines Lebens« und erhält den befürchteten Anruf des Bundestrainers, der niemanden brauchen kann, der im Verein keine Rolle spielt. »Ich habe lange auf meine Chance gehofft, aus der Ferne beobachtet, wie die anderen Jungs so drauf sind, die für meine Position infrage kamen.« Der Bundestrainer hatte sie für besser befunden.
Er war enttäuscht, aber auch
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