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Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Titel: Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Kraus
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an sich selbst entzückt. Sie erkennt ihre Täuschungen inzwischen schonungslos klar. Ihre Karriere in die Hände ihres Lebensgefährten zu geben, war fraglos naiv. Geld und Karriere, das ist Männersache, so war sie erzogen worden. Er hatte den Ehrgeiz, der ihr fehlte. Während sie schrieb und sich um die Kinder kümmerte, arbeitete er an der Strategie für die Maximierung ihres Erfolges. Die nächste Treppenstufe nahm er schon, als sie noch damit beschäftigt war, sich an die Höhe zu gewöhnen und für Momente die Aussicht zu genießen. Auf Partys schob er sie zu den Mächtigen. Dorthin, wo die wichtigen Gespräche geführt und die Besetzungen entschieden wurden. Aus der Bestsellerautorin wurde eine TV-Moderatorin. Für den Titel ihrer Show reichte längst ihr Name, Erfolg vervielfältigt sich. Die nächste Stufe sollte die Kuppelsendung »Herzblatt« sein, eine Vorabendinstitution der ARD. Die Stufe war ihr zu hoch, doch sie rebellierte nicht. Auch nicht, als sie sich von Sendung zu Sendung quälte mit der gehassten »Mutter-Beimer-Frisur« und der Angst vor der fehlenden Schlagfertigkeit. Der Blick auf die Quoten am Samstag war für ihren Partner zur Manie geworden, der Schlüssel zum nächsten Karriereschritt. Wie gebannt saß er vor den Einschaltquoten, während die Hauptdarstellerin seines Regieplans »mit den Kindern im Stadtwald Verstecken spielte«. Von der Entscheidung der ARD, den Moderationsvertrag nicht zu verlängern, erfährt Hera Lind beim Geburtstag der Schwiegermutter. Sie fastete sich gerade zur Wunschvorstellung der Fernsehverantwortlichen und nahm sich im Augenblick der vermeintlichen Enttäuschung einen randvollen Teller vom Büfett. Die Tränen, die ihr Lebensgefährte weinte, als er ihr »die Hiobsbotschaft« überbrachte, bleiben ihr so fremd wie ihre vorherige Moderatorinnen-Rolle. »Ich fühlte mich so frei wie lange nicht mehr.«
    Sie lacht häufig an diesem Vormittag, und die Offenheit der Begegnung unterstreicht die Glaubwürdigkeit ihrer unvorstellbaren Naivität, die die Karriere geprägt hat. Später wird sie erschrecken vor der Vertraulichkeit des Momentes und die Freigabe unseres Gespräches überdenken. Sie ist vorsichtig geworden. Nicht misstrauisch.
    Nach der Trennung vom Vater ihrer Kinder hat sie sich Hilfe gesucht, um einen Umgang mit der Hysterie des Boulevards zu finden. Wieder hat sie sich in die Hände eines Mannes begeben, diesmal in die eines PR-Managers. Er rät ihr, ihre neue Liebe exklusiv auf bunten Magazinseiten auszubreiten, um die Hoheit über die Geschichte zu behalten. »Ich war viel zu verwirrt von allem, was auf mich einbrach, um strategische Schritte zu durchdenken.« Sie lässt sich überreden. Auch dazu, den Verlag zu verlassen, der sie seit Jahren unterstützt und auf dem Weg in die Bestsellerlisten begleitet hat.
    Dass ihre damalige Lektorin nie wieder mit ihr gesprochen hat, bedauert sie noch heute sehr. Sie hat sich die Telefonnummer geben lassen, unsicher, ob sie sie wählen wird. »Ich habe lange nicht auf mein Herz gehört, sondern mich Beratern untergeordnet, denen menschliche Bindungen egal waren«, versucht sie Erklärungen zu finden für Verhaltensweisen, die sie heute beschämen. Aber sie hat in den vergangenen Jahren gelernt, dass sie die Konsequenzen ihrer Entscheidungen selbst zu tragen hat. Und allein.
    Auch ihr neuer Verlag war entsetzt über die Geschichten, die nun andere über seine Erfolgsautorin schrieben. Er bangte um das eigene Image und vor allem um die sicher geglaubten Umsatzzahlen. Als die Verlagsmanager eine entsprechende Vertragsklausel nutzen, um den üppigen Vorschuss zurückzuverlangen, wird aus dem PR-Unfall eine »Lebenskatastrophe«. Groß angelegte Bankgeschäfte werden zur Lawine »unter der ich mich wie begraben fühlte«. Sie muss nun gegen die Schulden anschreiben, die ihr in diesem Moment erstmals in ihrem ganzen Ausmaß bewusst werden. Wie ihre Karriere hat sie auch ihr Geld anderen anvertraut. Das öffentliche Urteil wird endgültig gefällt, als sie private Insolvenz anmeldet. Ihre ganz persönliche Katastrophe ist noch viel größer. Als ihre Kinder in der Zeitung von der Pleite lesen, bieten sie ihrer Mutter das Taschengeld zur Unterstützung an.
    Ein halbes Jahr war Hera Lind ohne Verlag, sie nennt es »die grausamste Zeit« in einer drastischen Lebenswende. Aber sie hat weitergeschrieben, »weil ich nichts anderes kann«. Zwei Bücher im Jahr veröffentlicht sie derzeit. Sie könnte mehr. Das Schreiben ist

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