Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)
Rolle.
Ich traf Menschen, die nun glaubhaft erleichtert ohne berufliche Verantwortung und öffentliche Resonanz leben. Die es nicht drängt, eine neue Aufgabe zu finden, sondern für die das Leben selbst genug ist. Solche, die nach wie vor mit dem Abschied hadern. Manche so sehr, dass sie über der Beschäftigung mit dem Verrat und den Verrätern die eigene Verarbeitung vernachlässigen und den Veränderungsprozess nach Jahren nicht abgeschlossen oder noch gar nicht begonnen haben. Diejenigen, die nach der Aufgabe oder dem Verlust ihrer Berufung keine Kompensation gefunden haben, die sie auf gleiche Weise erfüllt, und die seither als Suchende durch die Welt gehen. Andere, die scheinbar unberührt pragmatisch mit den Begleitern der Macht und deren Einbuße umgehen und doch in ihrem Auftreten ganz anderes offenbaren. Ich traf Menschen, die noch Jahre nach dem Ausscheiden ganz und gar Funktionsträger waren. Solche, die sich auf ein neues Terrain wagen, das doch immer vom vorherigen Glanz überstrahlt wird, und andere, die sich an neuen Inhalten oder einfach an der Substanz ihrer Selbst erfreuen.
Die Zeit der Neuorientierung wird in den positiven Fällen gelenkt von der konstruktiven Auseinandersetzung mit dem Vorherigen, der Versicherung des eigenen Wertes und der äußerlichen Unbeschadetheit. Wird der Aufprall des Scheiterns zudem durch eine neue Aufgabe mildernd gefedert, verläuft der Übergang mitunter reibungslos, oft sogar positiv aufgeladen durch wertvolle Erfahrungen.
In manchen Fällen allerdings erfährt die neue Aufgabe auch eine Idealisierung, die zum hastigen Übersprung verleitet, um den Prozess der Verarbeitung zu verkürzen oder ganz und gar auszulassen. Bleibt die Zeit jedoch ungefüllt, die eigene Tauglichkeit fraglich, das Schweigen des Telefons hörbar, so wird die Revision ein Schatten vieler Tage.
Trotz aller Bereitschaft, den Spalt zu einer oft leidlich beleuchteten Kammer zu öffnen, bleibt in all diesen Interview-Begegnungen das Ungewisse. Die Wahrhaftigkeit der offenbarten Gedanken und Gefühle kennt nur der Befragte selbst.
Mein Anspruch ist es nicht, eine objektive Wahrheit zu finden, die exakten Umstände des individuellen Erfolges oder Misserfolges zu recherchieren. Es erfolgt keine Überführung in den Momenten naheliegenden Selbstbetrugs, kein Versuch, die verborgenen Täuschungen aufzuspüren. Es ist die subjektive Wahrheit des Einzelnen, die sich in den Erzählungen wiederfindet. Die persönliche Wahrnehmung, die Selbsterklärung, manchmal die Selbstverklärung, die Basis ist für das Leben mit der eigenen Geschichte.
Ich habe versucht, die Reisen ein Stück zu begleiten, die die einen nach innen, die anderen nach außen führten. Für manchen schien sie noch kein klares Ziel zu haben. Manchmal haben neue Stationen sie bereits willkommen geheißen. Manche Reise braucht es einfach, um das Gefühl von Bewegung zu vermitteln, von Lebendigkeit. Unweigerlich bin ich dabei auch mit mir selbst gereist, habe mir diese und andere Fragen gestellt, manch eigene Antwort gefunden, manche revidiert, in der Spiegelung meiner Gesprächspartner.
Im Verlauf der Gespräche wurde mir klar, dass ich sie nur auf diese Weise führen konnte, weil es meine eigene Geschichte gibt. Ohne dass ich meinen Status gemein machen möchte mit denjenigen, die erhebliche Bedeutung für das Land, die Wirtschaft oder das Glück eines Publikums an unzähligen furiosen Abenden hatten. Die Vergleichbarkeit findet sich allein im Faktum, nicht in der Dimension der Erfahrungen. Sie ist erkennbar im Mechanismus der Verarbeitung, in den intrinsischen Auseinandersetzungen, im Innenleben.
Meine Erfahrungen mit Täuschungsmanövern, mir und anderen gegenüber, haben mir erleichtert, die Ausweich- und Rückzugsbewegungen meiner Gesprächspartner zu verstehen, die kleinen Augenblicke einzufangen, die Großes sichtbar machen. Manchmal musste und manchmal mochte ich den Gesprächspartner in seinem Kokon lassen, manchmal fühlte ich in der Begegnung, in einem Augenblick des Innehaltens, dass gerade eine Erkenntnis Raum nahm. Oft war Offenheit an der einen Stelle der Mantel, der anderes sorgsam bedeckt halten sollte.
Beim Versuch, Parallelen zu finden zwischen den so unterschiedlichen Menschen, Zeiten und Berufungen, sollte der Erkenntnismoment den Ausgangspunkt bilden. In jeder Biographie gibt es diesen Moment, der den Bruch kennzeichnet. Er passiert leise, im erstmaligen Bewusstsein für die kleinen Hinweise darauf, dass sich
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