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Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Titel: Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Kraus
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Ansporn, sein strengster Trainer. Mit achtzehn Jahren ging er nach England, angezogen von der rauen Ehrlichkeit des Kick-and-Rush-Fußballs. Diese britischen Jahre beschreibt er als einen Rausch: die ersten Profieinsätze; die Premiere-League, das begehrenswerteste Anstellungsverhältnis für einen Berufsfußballspieler; Berufung zur Deutschen Jugendnationalmannschaft; der besondere Status, schon als Jungprofi aus dem Ausland eingeflogen zu werden; die ersten aufmerksamen Zeitungsberichte; die ständigen Besuche von bewundernden Freunden aus Deutschland.
    Er stockt jetzt, nach jedem einzelnen Satz, so, als würde er sich beim Aufzählen nachträglich vor jeder Station und vor seinem eigenen Mut verbeugen wollen. Vor der ambitionierten Neugierde, die ihn in die Fremde hat ziehen lassen, heraus aus der beschaulichen Provinz und der behüteten Großfamilienidylle mit den sechs Geschwistern. Heute, da ihm alles so viel mehr Kraft und Opfer abverlangt, wirkt er beim Erzählen dieser lebensleichten Phase so leuchtend, als fabuliere der kleine Thomas von damals über seinen Traum von der ruhmreichen Profilaufbahn.
    Thomas Hitzlsperger hat sich nicht ausgeruht auf seiner aufsehenerregenden Leistung im Teenageralter. Er hat sich nicht bremsen lassen durch die Bejubelungen seines Umfeldes, das ihn schon früh an der Spitze sah. Auch die Verlockungen der Popularität konnten ihn nicht ablenken. Er wollte besser werden, der Beste sein. »Ich habe immer wieder die Geschichten gehört, von David Beckham, der nach dem Training noch stundenlang Freistöße übt, obwohl er längst ein Superstar ist.« Also hat er auch Freistöße geschossen. Schüsse, die ihn zum nächsten Verein, einem Top-Club, bringen sollten, und in die Nationalmannschaft. Es gab immer noch eine Station weiter oben. Ein gewonnenes Spiel war gut, »aber zufrieden war ich erst, wenn ich ein Tor geschossen oder das Spiel maßgeblich beeinflusst hatte«. Der Druck, sagt er leise, sei immer aus ihm selbst heraus entstanden.

    Sven Hannawald spricht auch über widrige Phasen und kalte Winter in gleichbleibender Lautstärke und ohne hörbare Nachdenklichkeit. Er ist überhaupt ein extrem entspannter Gesprächspartner. Keine Vorsicht, kein Argwohn hemmen ihn beim geteilten Blick auf seine außergewöhnliche Sportlerlaufbahn. Das Urteil der Öffentlichkeit hat er nie gefürchtet, dazu weiß er zu genau, dass die Menschen ihm wohlgesonnen sind. Selbst unter Journalisten gibt es viele »kleine Hannawald-Fans«. Er macht es ihnen auch leicht. Während unseres Gesprächs nimmt er kurz einen Anruf an. Der Termin für ein Fotoshoo- ting am nächsten Tag soll um zwei Stunden, auf 7 Uhr frühmorgens, vorverlegt werden. Wegen des besseren Lichtes. Sven Hannawald hört kurz zu, lässt sich überzeugen und kündigt sein pünktliches Erscheinen so umgänglich an, als sei die Verlegung seine Idee gewesen. Frühstück, sagt er der Frau am anderen Ende der Leitung, nein danke, das brauche er um diese Zeit noch nicht. Er hält Konzilianz nicht für seine professionelle Pflicht, sondern für eine Selbstverständlichkeit. »Diejenigen, die Ärger mit Leuten haben, sind immer die, die Leuten Ärger machen.« Dazu will er nicht gehören.
    Die unzähligen Zeitungsartikel, die es über ihn gab, hat er allesamt gesammelt, aber seither noch nicht angesehen. Aus Zeitgründen. Gelesen hat er sie ohnehin selten. Sein Image zu gestalten, sich immer wieder neu zu erfinden, wie es für viele Künstler und Kunstfiguren ein stetiges Trachten ist, das brauchte es für ihn nicht.
    Sven Hannawald hat es dennoch genossen, auf der Schanze zu stehen und mitzuerleben, wie clevere TV-Manager aus einer seit Jahrzehnten verbindenden deutschen Familienfeiertags-Veranstaltung ein Medienereignis gemacht haben. Wie sich Zeitungsseiten und Zuschauerraum synchron füllten und aus einer Gruppe von Athleten, Kontrahenten und Kameraden eine Boygroup wurde, deren »Shining Star« er war. Die Skispringer haben diese Entwicklung damals gern mitgenommen, die Aufmerksamkeit hat ihnen Fans, Sponsoren und Geld gebracht, »aber mit der Realität hatte das natürlich nichts zu tun«. Er hat es als Teil seines Jobs verstanden. Nachdem er erstmal seinen Sport als Job verstanden hatte. Wenn er sagt, »man hört als erwachsener Sportler mit einem anderen Verhältnis zu seinem Sport auf, als man als Junge damit anfängt«, drückt er die Anerkenntnis all der Kräfte aus, die zu wirken beginnen, wenn Talent und Leistung sich über die

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