Macht nichts, Darling
dieser hereingeschneite Fremdling ihre Neuentdeckung so mit Beschlag belegte, was sie jedoch nicht hinderte, von ganzem Herzen bei der Sache zu sein. Ihre Aufgeschlossenheit für jedermann war eine ihrer liebenswertesten Eigenschaften. »Erzähl weiter!« bat sie und widmete sich ihm mit der ganzen Rückhaltlosigkeit, deren sie fähig war und die manchmal verheerende Folgen hatte. »Ich bin schon oft an Luthens vorbeigefahren, war aber noch nie drin.«
»Es ist ein großes Gut, nicht nur eine Farm, ungefähr fünfzehntausend Morgen, und seit Generationen Familienbesitz. Aber der einzige Sohn des jetzigen Eigentümers ist im Krieg gefallen, und der alte Mann ist krank und hat keine Lust mehr. Er hat sich in der Stadt zur Ruhe gesetzt, und das Gut ist auf dem absteigenden Ast, mehr oder weniger in den Händen der Firma, die seine Grundschulden übernommen hat. Die haben nun durch Inserat einen Verwalter gesucht. Ich habe mich gemeldet, kam in die engere Wahl und habe mich gestern dem Firmenchef vorgestellt. Alles okay, was Referenzen und so weiter betrifft — nur ein Haken ist bei der Sache: Sie wollen durchaus einen verheirateten Mann. Ich sagte, das wäre kein Hindernis, weil ich demnächst zu heiraten gedenke, und bis dahin würde mir Tante Dorothy die Wirtschaft führen... Erinnerst du dich noch an Tante Dorothy?«
»Klar. Aber ist sie nicht schon zu alt?«
»Sie ist erst sechzig und sehr rüstig. Zerstreut wie immer — das heißt, sie scheint so, und dabei hat sie’s faustdick hinter den Ohren. Na, mein zukünftiger Chef war zufrieden und hat mir die Stelle gegeben, unter der einzigen Bedingung, daß ich innerhalb der nächsten drei Monate heirate.«
»Und was sagt Elizabeth dazu?« fragte Sally, unwillkürlich in etwas zweifelndem Ton. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, wie Elizabeth es auf einem hinterwäldlerischen Gut aushalten sollte, weitab von Konzerten, Theatern, vornehmen Tanzereien und... na ja, eben von aller Kultur, wie Sally das alles etwas vage zusammenfaßte. Sie selbst war ja keine allzu sehr kultivierte Dame.
»Sie hat noch gar nichts gesagt, aber natürlich wird sie begeistert sein. Ich habe es ihr erst gestern geschrieben, sobald ich wußte, daß mir der Job sicher ist, und sie gebeten, sich das Ganze mal anzusehen und die Hochzeitsvorbereitungen zu beschleunigen. Schließlich«, fügte er mit dem schönen Gleichmut aller Männer hinzu, »ist eine Hochzeit ja keine große Affäre. Auf Luthens braucht sie keine Riesenaussteuer und vor allem keinen Haufen neue Kleider. Wir werden nur noch selten in die Stadt kommen.«
Sally behielt ihre Meinung für sich, daß Elizabeth auf diese Informationen hin nicht gerade in einen Freudentaumel geraten würde. Hoffentlich irrte sie sich. Sie mochte Simon so gern, und er sah heute abend so glücklich und beschwingt aus. »Ich kann’s kaum erwarten, da anzufangen«, sagte er. »Es ist eine Art Kraftprobe für mich, weißt du. Möglich, daß das Gut später aufgeteilt wird, und wenn ich mich bewähre, kann ich dann vielleicht ein Stück davon kaufen. Verlockende Aussicht, was?«
Sally stimmte zu, vor allem, weil es wunderbar wäre, daß sie dann Nachbarn würden. Elizabeth erwähnte sie dabei nicht extra; das ging zu sehr gegen ihre ehrliche Natur. Dann wechselte Simon das Thema. »Ich glaube, ich darf dich nicht zu lange von den andern fernhalten. Wer ist denn der gutaussehende Bursche da drüben? Scheint ein bißchen sauer zu sein. Jedenfalls starrt er mich an, als ob er mich fressen wollte.«
»Das ist Hugh Davenport, ein Rechtsanwalt. Ich kenne ihn gut, weil er seit einiger Zeit Vaters Angelegenheiten von seinem älteren Partner übernommen hat. Wenn was zu besprechen ist, kommt er manchmal zu uns auf die Farm.«
»Bist du verschossen in ihn?« fragte Simon mit brüderlicher Direktheit.
Sally lachte. »Lieber Himmel, nein. Ich habe keine Zeit zu so was, dafür sorgt die Farm. Wir sind lediglich befreundet.«
»Na, besonders freundlich schaut er im Moment nicht drein. Ich werde besser das Feld räumen und... Donnerwetter, was für ein Riesenhund! Aber schön ist er — und mächtig anhänglich, wie es scheint.«
»Er heißt Alister. Ja, er ist reizend, und Alice ist restlos in ihn vernarrt. Hallo, Hugh! Kennst du Simon Hunter schon?«
Hugh kannte ihn nicht und empfand dies offenbar nicht als schmerzliche Bildungslücke. Sie tauschten ein paar belanglose Redensarten, worauf Simon sich empfahl, um mit Alice zu plaudern, die er fast
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