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Macht und Rebel

Titel: Macht und Rebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matias Faldbakken
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vier stehe ich an der Kreuzung unter dem BÖRING-Schild und warte auf Arolf. Der Pelzhändler gegenüber starrt durch sein Schaufenster, als böte sich seinen Blicken die Hölle dar. Arolf kommt fünf Minuten zu spät und verursacht damit schuldhaft, dass ich 1. fünfmal genötigt bin, mich wegzudrehen, um Bekannte nicht grüßen zu müssen, darunter Niko/Fick-Ding, und 2. einem Schnüffler drei Zigaretten abtreten muss.
    Wir fahren in eine nordöstliche Vorstadt. Hier ist es genauso öde wie da, wo ich wohne, obgleich der Lebensstandard in dieser Gegend angeblich etwas höher ist. Arolf biegt in die Einfahrt eines Reihenhauses ein. Draußen steht Catos grässlicher oranger Ford Transit. Mindestens zwanzig Jahre alt. Ich hasse die Karre. Sie erinnert mich an Fatty, Bei Cato sind alle Vorhänge zugezogen, und ich werde mich weigern reinzugehen, falls er uns hineinbittet. Nein, dann bleibe ich auf der Außentreppe, verflucht noch mal. Den Gestank da drin tu ich mir heut nicht an. Pot und Computerzeugs und alte Fertigmahlzeiten und Wichse, die Kombi gibt einen alptraumhaften Hautgout. Das letzte Mal, als ich da drin war, hab ich nicht mehr gehört, was Cato erzählte, denn ich war in eine Fantasie abgetaucht, in der meine Nase sich desintegrierte und ein für alle Mal im Nichts verschwand.
    Ich klingele, Cato braucht zum Aufmachen gut drei Minuten, das ist reichlich, wenn man bedenkt, dass das Reihenhaus höchstens fünfzig Quadratmeter Grundfläche besitzt, GARANTIERT ist er erstmal hochgegangen und hat zwei Minuten lang heimlich mit seinen durchgedrehten, paranoiden Hackerglotzern durch den zugezogenen Vorhang auf uns runtergeschmult, dann hat er sich zusammengerissen und ist runtergekommen. Seine Visage erscheint in der Tür, man sieht, dass er sich ein Stirnband zugelegt hat, jetzt sieht er aus wie Björn Borg anno 1973, nur fünfzehn Jahre älter und ohne Siegerinstinkt oder sonst irgendeinen Appeal – schon gar keinen Sexappeal.
    »Schlüssel fürn F-F-Ford?« Er hält sie mir vors Gesicht. Ich sehe auf seine Rauchergriffel und nicke. Er lässt sie fallen, ich fange sie auf.
    »Sorry J-J-Jungs, aber ich hab so w-w-wahnsinnich viel zu tun, kann euch nich r-r-reinbitten … hab auch nix zu trinken da. Frank hat mir eine K-K-Killerdeadline r-reingewürgt.«
    »Macht nichts«, sagt Arolf eilig. »Wir müssen selber schnell weiter.« Ich nicke nochmals.
    »Wann k-k-kommt ihr und holt die M-M-Mistkarre ab?« Cato deutet mit der ganzen Hand auf Arolfs weißen Fiesta.
    »Zwei, drei Stunden«, sagt Arolf.
    »K-K-Könnt ihr nich einfach die Sch-Sch-Schl-Schl-Schlüssel inn B-B-Briefkastn werfn, dann muss ich nich noch mal unterbrechn.«
    »Klar doch«, sagt Arolf.
    Der Transit startet mit einer Fehlzündung, wir rollen die Auffahrt runter. Arolf sucht dieselbe Sitzposition wie in seinem Fiesta, aber die steinharten, rechtwinkligen Sitze lassen sich offenbar nicht in Liegeposition bringen; also sitzt er so gerade wie ein Busfahrer.
    »Was Cato wohl so Scheißwichtiges macht?«, frage ich.
    »Glaub, er soll irgendwelche Infos für Fattys Fest am Samstag zusammenhacken. Schafft er sicher nicht. Ist wohl darum so stinkig. Hoffentlich merkt er endlich, dass er ein Scheißhacker ist«, sagt Arolf.
    »Muss ja bitter sein für ihn«, sage ich. «Wenn er merkt, dass er auch als Hacker ne Null ist, wie bei allem anderen.«
    »Wir müssten ihm auch mal stecken, dass es bei ihm stinkt wie auf dem Scheißhaus, dann ist sein verkacktes Leben restlos verkackt«, sagt Arolf. »Hei, hei, ich heiße C-C-Cato. Ich stink nach Scheiße. Mein Gehacke auch.«
    Wir fahren wieder auf die Ringstraße. Jetzt geht es beträchtlich langsamer, obwohl Arolf den Wagen tritt, wie er kann, und dazu raucht, die ganze Hand auf dem Gesicht. Der Himmel ist grau in grau, und ich habe Arolfs Augen heute noch nicht gesehen, wg. Sonnenbrille, aber das ist kein Verlust. Ich lege nie besonders Wert darauf, die Augen von Leuten zu sehen. Wir fahren so dreißig, vierzig km/h über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit, der Motor kreischt wie ein Schwein. Nach zehn Minuten biegen wir Richtung Zentrum ab, durchqueren es von Nordosten her so gut wie ganz und kommen im Hafen wieder raus.
     
    Warum widerspreche ich mir selbst mit allem, was ich sage oder tue? Antwort: Wenn eben NICHTS Konsequenzen hat, dann werde ich natürlich … inkonsequent. Man kann sich unmöglich vor jener generellen Haltung schützen, die da heißt:
    Provozierend? Ach, diese »erschütternde«

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