Macht und Rebel
klar. Entweder hatte Fatty gerade geschissen, oder er pinkelt im Sitzen, was weiß ich; egal, die Brille war jedenfalls runtergeklappt, und der Köter schleckt sie ab, als wäre es Jenna Jameson oder wer. Fatty ist kreischend durch die Wohnung gerannt, hat Munan samt Köter rausgeschmissen und seitdem kein Wort mehr mit ihm gesprochen.«
»Ist doch krank. Der spinnt, sag ich schon immer.«
»Tja«, sagt Arolf.
»Die Klobrille berührst du doch nur mit dem Arsch. Was soll dann so schlimm daran sein, wenn die abgeleckt wird?«
»Es ist die Kombi«, sagt Arolf.
»Häh?«
»Die Kombi der Elemente. Eine eklige Kombi, egal, wie du's drehst und wendest. Fatty hat es wahrscheinlich so gesehen: a) Der Köter hat sozusagen die Scheißhaus-Logik umgedreht …«
»Häh?«
»Ja, man setzt sich auf die Schüssel, um etwas Loszuwerden, nicht wahr, um etwas aus der Welt zu schaffen, und indem der Köter erst getrunken und dann die Klobrille abgeleckt hat, hat er abstrakt gesehen Elemente an ihren Ausgangspunkt zurückgeführt. Etwas ging vom Klo zurück in die Welt (lies: an Fattys Arsch), wenn du so willst. Zurück und in Fattys Arschbereich, also die Klobrille, nicht wahr. Etwas, von dem Fatty dachte, es wäre aus der Welt, wurde für seinen Arsch wieder aktuell. Oder b) Weil Hunde so frenetische Arschlecker sind und weil Munans Köter so frenetisch an Fattys Klobrille rumgeleckt hat, könnte das theoretisch darauf hindeuten, dass Fattys Arsch nach Golden-Retriever-Arsch schmeckt, ja. Nach einem goldenen Arsch, den so ein Hund unbedingt abschlecken muss. Wahrscheinlich stimmt das sogar, ist eigentlich auch egal, aber mitzuerleben, wie so ein Köter das bloßstellt, vor dir und deinem Kumpel, das ist wahrscheinlich eher uncool«, sagt Arolf.
»Möglich.«
»Dritte Variante: Fatty hat nicht so wahnsinnig viel zwischenmenschlichen Kontakt – also körperlich –, und wenn ihm schon wer den Arsch leckt, wäre es ihm wahrscheinlich lieber, wenn das nicht ausgerechnet ein Hund wäre, sozusagen. Also eine ziemlich intime und gefühlsbeladene Sache«, sagt Arolf.
Wir lassen die Kartons im Wagen und betreten den Lastenaufzug. Alles in dem Gebäude befindet sich auf halbem Wege zwischen fancy und heruntergekommen, genau, wie Fatty es will. Fatty wünscht sich seine Umgebung WEDER allzu verslumt NOCH allzu prunkvoll; alles muss »bewusst, präzise und brauchbar« sein, wie er immer sagt. Mir unbegreiflich, dass er nichts mit seinem Gewicht macht, wenn ihm das Äußere so wahnsinnig wichtig ist. Die Kabine ist von oben bis unten voller Aufkleber, die sich irgendwie auf Fattys Aktivitäten beziehen. Ich hasse Aufkleber. Der Fahrstuhl hält im Dritten, wir gehen nach links den Flur runter, an einer Reihe Türen vorbei, die nicht zu Fattys Reich gehören. Designbüros, eine Telefonsexfirma, ein Snowboardimport, ein paar Kleinverlage, eine Produktionsgesellschaft, Der Somalische Club. An Fattys Tür steht in Großbuchstaben senkrecht von unten nach oben PUSH. Natürlich muss man an der Tür ziehen.
Schon beim Eintreten fängt Arolf an, fast unmerklich den Kopf zu schütteln. Die neue Deko an der Wand ganz hinten kotzt ihn wahrscheinlich genauso an wie mich. In derselben Schrift wie draußen an der Tür steht quer durch den gesamten Raum:
Fatty – so Frank Leiderstams nom de guerre; schon von Kindesbeinen an wurde er »kleine fette Sau« gerufen, oft wie ein einziges Wort ausgesprochen, »Kleinefettesau«, später Fat Frank, heute nur mehr Fatty – sitzt mit dem Rücken zu uns in der linken Ecke, genau zwischen dem C und dem K von DICKHEADS. Arolf und ich nicken zum Gruß ein paar von den Untergrundnutten zu, die in den Geschäftsräumen irgendeine Scheiße treiben, und gehen zu Fattys Ecke rüber. Als wir auf fünf Meter dran sind, schnurrt sein Fettleib auf dem Drehstuhl herum, als hätte er am Hinterkopf Augen, und bietet uns den unersprießlichen Anblick seines starren Gesichts sowie seines Wanstes, der prall in einem roten T-Shirt steckt, mit der Aufschrift: Give it all up for Fidel Cashtro, Check Guevara, Karl Markt and Friedrich Pengels! Er lächelt nicht, deutet aber mit dem Hinterkopf auf die Inschrift an der Wand; er ist sichtlich stolz darauf. Wir nicken zurück, um zu sagen, ja, haben wir gesehen. Zum T-Shirt trägt er Jeans, für seinen tonnenförmigen Leib maßgeschneidert, schwarze Locken à la Jesus und einen schütteren schwarzen Bart, wie ein unterentwickelter orthodoxer Jude. Das I-Tüpfelchen seines Outfits
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