macht Urlaub
und kunstvoll zu verzieren. Wie viele waren wohl dabei in den Tod gestürzt? Jetzt mochte es ja für den Besucher eine romantische Ecke der Welt sein, aber sie bezweifelte, daß es vor Tausenden von Jahren ein romantischer Ort zum Leben gewesen war. Außer Plünderungen hatte es Kriege gegeben, Seuchen, Hungersnöte und Überschwemmungen - vom hygienischen Zustand ganz zu schweigen. Doch offenbar waren die Menschen damals von einem großen Bedürfnis nach Schönheit durchdrungen: zur Ehrung ihrer Götter, ihrer Vorfahren und gewissermaßen ihrer selbst. Und all das verborgen in der Wüste; ein Geheimnis. Mrs. Pollifax mochte Geheimnisse; schließlich führte sie, seit sie Aufträge von Carstairs angenommen hatte, hinter ihrer bürgerlichen Fassade selbst ein geheimes Leben, von dem immer noch nur ganz wenige wußten. Wenn es hier ein berühmtes Urnengrab gab, so fanden sie es nicht, wohl aber sahen sie eine große Menge von Höhleneingängen, mit denen ganze Felswände übersät waren. Nach vielem Rauf-und Runterklettern stellte sich heraus, daß sie den früher hier lebenden Beduinen teils als Gräber und teils als Wohnungen gedient hatten. Doch Farrell, der ja nicht wirklich ein Tourist war, wurde ruhelos, und ihr Pferd Nummer 24 wartete mit Mohammed. Als sie aber bei dem Pferd ankam, wurde es nicht von Mohammed geführt, sondern von einem jungen Mann in Bluejeans mit einem roten Tuch um den Kopf.
»Aber wo ist Mohammed?« fragte sie. »Das kann nicht Nummer 24 sein!«
Josef lachte. »Egal, wer es führt, es ist Ihr Pferd, sehen Sie? Nummer 24 ohne Zweifel - alle Bedu haben Verwandte.« Ein Podest erleichterte das Aufsitzen. Auch Josef und Farrell stiegen auf ihre Pferde und ritten voraus, während sie in gemütlichem Schritt dahin trottete. Sie fühlte sich im Sattel bereits viel sicherer, als sie in den Siq kamen und langsam den Anstieg aus der Schlucht begannen. Sie hatten gerade einen Engpaß erreicht, als der junge Mann, der ihr Pferd führte, stehenblieb.
Auch Nummer 24 hielt an, und Mrs. Pollifax, die hoffte, daß der Führer Englisch verstand, fragte: »Was ist los?« Er drehte sich um und blickte lächelnd zu ihr hinauf. Er ließ den Zügel fallen und deutete auf etwas, immer noch lächelnd. Leicht verärgert fragte sie noch einmal: »Was ist denn?«
Er zückte ein Messer, trat wortlos neben sie, griff zu ihrem Rucksack hinauf und machte sich ruhig daran, den Schultergurt zu zerschneiden.
Verdutzt starrte sie auf ihn hinunter, ehe sie ihn wütend anbrüllte: »Hören Sie sofort auf!« Sie zog einen Fuß aus dem Steigbügel und trat heftig nach ihm. Er ließ das Messer fallen, packte ihren Fuß und zog sie vom Pferd. Sie landete auf den Knien. Ohne sie weiter zu beachten, hob er sein Messer auf und fuhr fort, an dem dicken Gurt ihres Rucksacks zu säbeln, dem seine ganze Aufmerksamkeit galt.
Mrs. Pollifax kam mühsam auf die Füße. In dem menschenleeren Siq waren weder Hufgeklapper noch Stimmen zu hören. Als sie endlich aufrecht stand, wappnete sie sich. Es gelang ihr, ein paar Zentimeter Abstand zwischen sich und dem Angreifer zu gewinnen und ihm wütend einen schnellen und sehr harten Karateschlag gegen die Kinnlade zu versetzen. Ächzend sackte der Bursche zu Boden.
Mrs. Pollifax schlang den Rucksack, von dem nun ein Gurt herunterhing, über den Arm und sah sich dem Problem gegenüber, wie sie schnell wieder auf das Pferd kam. Sie stellte einen Fuß in den Steigbügel, stieß sich ab und kämpfte sich in den Sattel. Als sie die Zügel hochgezogen hatte, stupste sie das Pferd mit den Knien. Es schritt los, fiel in Galopp, und Mrs. Pollifax, die nicht richtig im Sattel saß und sich unsicher fühlte, fielen die Zügel aus den Händen. Sie kippte nach vorn, beide Arme um den Hals des Pferdes geschlungen, und so schoß sie, wie ein Korken aus der Sektflasche, aus dem Siq.
»Was in aller Welt!« entfuhr es Farrell, der auf sie wartete.
Seine Augen wurden schmal, als er ihr gerötetes Gesicht bemerkte und den Rucksack, der nur an einem Gurt von ihrem Arm hing. Er half ihr vom Pferd. »Herzogin, was...?«
»Wo ist Josef?«
»Er kommt gerade auf uns zu.«
»Jemand muß bestochen worden sein«, keuchte sie. »Farrell,
er hatte ein Messer, und er wollte meinen Rucksack!« » Das einzige Gepäckstück, das nicht in Ihrem Hotelzimmer
war, als es durchsucht wurde! Wo ist der Kerl jetzt?« »Noch im Siq, er kommt wahrscheinlich gerade wieder zu
sich. Farrell...«
»Keine Polizei!« sagte er gepreßt.
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