macht Urlaub
sie lachen oder weinen sollte. »Hanan, du bist unglaublich!«
»Aber man muß es versuchen«, entgegnete Hanan. »Wir haben ein Sprichwort: ›Fang den Dieb, bevor er dich fängt‹, und Mr. Farrell wurde gestohlen!«
Ein Hund bellte und wurde beruhigt. Hanan führte sie weg vom Lager auf die Erhebung zu, wo Qasim in einem so dunklen Gewand wartete, daß er kaum noch als Schatten zu sehen war. Die drei Kamele neben ihm bewegten sich unruhig.
»Masal khair«, sagte Hanan leise zu ihm.
»Winta dkhair«, erwiderte er ernst, und dann: »Reiten wir los!«
16
Es war kalt und dunkel. Die Mondsichel bescherte kein Licht, und auch die wie Brillanten glitzernden Sterne erhellten die nächtliche Wüste nicht. Obwohl es windstill war, fröstelte Mrs. Pollifax, aber sie wußte nicht, ob vor Kälte oder Anspannung. Sie wiederholte für sich alles, was Farrell ihr so verspätet über »andere« erzählt hatte, die möglicherweise Dib Assens Manuskript an sich bringen wollten. Da war natürlich dieser irakische Agent, der auf der Burg ums Leben gekommen war. Jetzt versuchte sie die gesamten Ereignisse, deren Bedeutung sie bisher nicht richtig erkannt hatte, neu zu ordnen und zu verbinden: Dann dieser Mann, der sich im Speisesaal zu Farrell gesetzt und mit ihm über arabische Literatur gesprochen hatte und den Farrell während des Sandsturms wartend vor dem Restaurant wiedergesehen hatte... Es war nun nicht mehr Mr. Nayef, dem ihr Interesse galt. Sie ordnete ihn nur noch als ärgerlichen Zwischenfall ein, denn in Wirklichkeit... Aber so ganz konnte sie doch nicht daran glauben. Es stimmte, sie hatte Farrell wegen des geplanten Treffens mit dem Freund des verstorbenen Dib Assen nach Jordanien begleitet. Aber ihre Aufmerksamkeit hatte in letzter Zeit so sehr dem Überfall in Petra und der ihnen überallhin folgenden rostroten Limousine gegolten, daß es sie überforderte, Farrells mysteriöse »andere« in ihre Überlegungen mit einzubeziehen. Farrell hatte Ibrahim weder gesehen noch getroffen, besaß das Manuskript nicht, und doch war er auf rätselhafte Weise verschwunden, in die Nacht davongezerrt, wo doch - unter Berücksichtigung aller Umstände
- Emily Pollifax das Opfer hätte sein müssen. Sie zitterte. Sie waren stumm dahingetrottet, nur das Knarren des Sattelleders oder das Husten eines Kamels brach hin und wieder die Stille.
Als das Lager längst weit hinter ihnen lag, rief Qasim über die Schulter: »Um nicht gesehen oder gehört zu werden, schlagen wir am besten einen Bogen; wir halten uns nördlich des Qasr und reiten dorthin zurück durch das Wadi Ghaduf.«
Hanan, die hinter Mrs. Pollifax ritt, rief ihm zu: »Aber die Steine, Qasim! Die Steine im Wadi Ghaduf sind so spitz, daß sie in die Füße der Kamele schneiden, das weißt du doch!«
»Ich habe dicke Wolle mitgebracht, um ihre Füße zu polstern«, erwiderte er. »Ihr müßt mir beide damit helfen, sonst dauert es zu lange.«
»Aber wohin reiten wir denn?« erkundigte sich Mrs. Pollifax fast flehend.
Er zügelte sein Kamel, um neben ihr zu reiten. »Zu den Ruinen eines alten Schlosses. Im Norden von Jordanien gibt es viele solcher Ruinen, diese ist jedoch die einzige in dieser Gegend.«
»Doch nicht etwa das halbvergrabene Fort!« rief sie.
Qasim schüttelte heftig den Kopf. »Nein, das ist sehr weit von hier, und nur Awad weiß genau wo. Der Bau dieses Schlosses, zu dem wir wollen, wurde von den Omaijaden vor fast dreizehnhundert Jahren begonnen, doch nie fertiggestellt. Man nennt es das Qasr at Tuba. Kaum noch jemand geht heutzutage dorthin. Außer Bedu, vielleicht.«
»Und Fledermäuse«, fügte Hanan hinzu. »Doch sonst niemand.«
»Und ihr glaubt...?« fragte Mrs. Pollifax.
Qasim drehte sich im Sattel, um sie anzusehen. Heftig sagte er: »Es ist das Gesetz der Bedu, daß sogar ein Feind in einem Bedu Lager sicher ist. Einen Gast des Scheichs zu entführen ist eine ungeheure Beleidigung. Wenn sie vorhätten, viel Lösegeld zu fordern...«
Lösegeld! Mrs. Pollifax konnte nur hoffen, daß es so einfach wäre.
»... würden sie ihn nicht über die Grenze nach Saudi Arabien verschleppen, weil es dort bloß leere Wüste gibt. Wir denken, Hanan und ich, daß sie ein sehr gutes Versteck brauchen - kein Zelt, wo noch nie ein Zelt gesehen wurde, denn das würde auffallen; vielleicht aber die fast vergessene Ruine von Qasr at Tuba, die seit einer Ewigkeit dort steht. Das wäre sehr schlau wenigstens für kurze Zeit -, sie hat sogar noch ein Dach. Wir
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