Machtrausch
hässliche Diskussionen über eventuelle Stellenkürzungen bei den Vertriebsmitarbeitern gefährden dürfe. Er schloss mit den Worten:
»Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass wir Wiener in der Vergangenheit stets Vorreiter waren, um im Schuegraf-Konzern Maßnahmen zur Ergebnisverbesser-ung durch- und auch umzusetzen. Das wird natürlich so bleiben! Der uns heute vorgestellte Plan ist vom guten Willen beseelt, die Firma nach vorne zu bringen. Die Vorschläge machen einen plausiblen Eindruck und sind uns durch viele Zahlen und Grafiken veranschaulicht worden. Und dennoch: Es ist das Werk einer Zentralabteilung, einer Abteilung mit hochintelligenten Leuten wie unserem Herrn Dr. Glock«, hier wedelte er mit seinem silbernen Laserpointer kurz in Glocks Richtung,
»… die in ihrem Leben aber bislang keinerlei Gelegenheit hatten, operative Geschäftsverantwortung zu schultern und gerade darum immer wieder den alten und weisen Satz vergessen: › Strategy is easy, implementation is hard!‹ Meine Damen und Herren, Sie wissen, wie sehr gerade mir daran gelegen ist, diese Firma voranzubringen. Ich schlage darum vor, heute erst einmal keine Entscheidung zu treffen und erkläre mich statt dessen freiwillig bereit, gemeinsam mit meinem italienischen Kollegen, Signor Alabanda, in den nächsten acht Wochen einen weitaus praktikableren Alternativplan auszuarbeiten, der diesmal aus dem Geiste der Praxis geboren sein wird. Vielen Dank.« Während Kroupa sich setzte, klopfte die Mehrzahl der Anwesenden spontan applaudierend mit den Fingerknöcheln auf den Konferenztisch. Der mächtige Finanzchef des Konzerns, Nagelschneider, saß schweigend in seinem Sessel und bewegte keine Augenbraue in seinem asketischen, schmalen Gesicht. Alle schauten erwartungsvoll zu Glock. Die blumigen Ausführungen des Österreichers, garniert mit kleinen Messerstichen in Richtung der Zentralabteilung und gipfelnd in einem konkreten Vorschlag zur Vertagung sowie zur Ausarbeitung eines Alternativvorschlages, würden praktisch das Aus für seinen in vielen Wochen ausgearbeiteten Plan zur Steigerung der Vertriebsleistung bedeuten. Alle hier wussten dies. Und alle warteten wie die Aasgeier auf die Antwort des Vize-Unternehmensstrategen, der mit seinen gerade einmal fünfunddreißig Jahren der jüngste Manager in diesem Raum war. Heute Morgen hatte sich Glock noch auf die Sitzung gefreut, denn das sollte sein Tag werden. Das Vertriebseffizienz-Programm, das wichtigste Programm der nächsten Monate im Konzern, würde seine Handschrift tragen und auch den Finanzchef davon überzeugen, dass er der richtige Nachfolger seines Chefs war. Für dieses Programm hatte er die letzten fünf Wochenenden geopfert, von den Nächten Montag bis Freitag ganz zu schweigen. Dieses Programm, sein Programm , drohte nun unterzugehen, und plötzlich bereute er die heutige Abwesenheit seines Chefs Röckl, der politisch mit allen Wassern gewaschen war und dessen Unterstützung er nun so dringend gebraucht hätte. Jetzt kam es darauf an: Seine Reaktion entschied über viel mehr als nur über das Effizienzprogramm. Zieh nie in eine Schlacht, die du nicht gewinnen kannst, lautete eine seiner Maximen. Erst recht nicht aus so albernen Gründen wie Stolz, Rache, Rechthaberei oder gar Spaß am Kampf. Diese Regel befolgend stand er langsam auf und stellte sich an das Kopfende des Konferenztisches. Alle Augen waren auf ihn gerichtet, und bis auf das leise Brummen des Beamers war es totenstill in dem abgedunkelten Raum.
»Meine Damen und Herren. Ich bedanke mich bei Herrn Kroupa für die anschaulichen Ausführungen und bitte Sie, seinem pragmatischen Vorschlag zuzustimmen .« Ungläubiges Staunen. Gemurmel. Der Finanzvorstand schaute erstmals während der gesamten Konferenz interessiert auf.
»Herr Blaubusch«, bat Glock einen seiner Mitarbeiter, der im Hintergrund das Notebook mit den Präsentationen bediente und wesentliche Teile der Analysen durchgeführt hatte, »bitte zum Backup Seite acht wechseln.« An der Wand erschien eine bunte Grafik mit der Überschrift »Marktanteilsveränderungen der elf größten Landesgesellschaften«. Glock richtete seinen Laserpointer auf die Säulendiagramme und erläuterte:
»Die linke Säule stellt jeweils den Marktanteil der Landesgesellschaft vor fünf Jahren dar, die Säule daneben den heutigen . Es fällt auf, dass bis auf zwei Landesgesellschaften – Osteuropa und England – alle in den letzten Jahren deutlich Marktanteile verloren haben, einige
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