0303 - Die Satans-Zwerge von Sylt
Zuerst knarrte eine Tür. Danach flammte Licht an der Decke auf. Es riß die zahlreichen Strandkörbe aus der Dunkelheit, die in diesem Kellerraum lagerten.
Dann waren Schritte zu hören. Eine Person kam die Kellertreppe herab. Vom Stufenende her hätte ein Zuschauer zunächst nur die Beine gesehen, die von breiten Hosenaufschlägen umflattert wurden. Der Oberkörper erschien, ein gewaltiger Bauch, über den sich das blauweiß gestreifte Hemd spannte, es folgte ein massiger Brustkasten, auf dem ein fast viereckiger Kopf ohne Hals saß, wenigstens war er inmitten der Speckfalten nicht mehr zu sehen.
Die Gesichtshaut des Mannes mit dem strohblonden Haar zeigte einen roten Schimmer. Die Anstrengung hatte ihn hinterlassen, denn bei dem Gewicht fiel es einem Menschen nicht leicht, die lange Kellertreppe hinunterzusteigen.
Was sein mußte, das mußte eben sein.
Lars Lengerich gehörte zu den Menschen, die im Sommer viel Geld verdienten. Er vermietete Strandkörbe. Und das Geld, das er im Sommer einnahm, mußte auch für den Winter reichen, denn seine kleine Fahrrad-Reparaturwerkstatt warf nicht genug ab, um sich über Wasser halten zu können.
Im Winter, wenn er Zeit hatte, reparierte und säuberte er die Strandkörbe.
Das war eine Schufterei, denn ihm gehörten über 200 dieser Körbe. Eine Hilfe hatte Lars Lengerich trotzdem nicht, er arbeitete allein.
Die bereits überholten und reparierten Körbe wollte er dann in einen Nebenraum bringen.
Im zweiten Raum brannte kein Licht.
Lars Lengerich hakte seine Finger unter den Gürtel und zog die Hose in die Höhe, bevor er sich mit schaukelnden Schritten in Bewegung setzte, um auch im Nebenraum das Licht einzuschalten.
Auf der Schwelle blieb er plötzlich stehen.
Lars wußte im ersten Moment auch nicht, weshalb er so reagierte, aber er wollte nicht mehr weitergehen.
Etwas störte ihn.
Ein seltsames Geräusch.
Es hörte sich an wie ein hohles Pfeifen, und dazwischen vernahm er ein Knirschen.
Lars war so geschockt, daß er nicht daran dachte, auch im Nebenraum das Licht einzuschalten. Er wußte nur, daß dieses seltsame Geräusch nicht in diese Atmosphäre paßte.
Er dachte an einen Einbrecher. Nein, nicht im Winter, wenn auf der Insel nichts los war. Das konnte er sich abschminken. Das Geräusch mußte einen anderen Grund haben.
Vielleicht ein Tier?
Er hatte lange keine Ratten mehr gesehen. Als Kind die letzte, aber es konnte sich durchaus auch etwas anderes in diesen Keller verirrt haben.
Plötzlich hörte er ein Keuchen, das durch den Raum schwang und eine Gänsehaut über seinen Rücken trieb.
Den Gedanken an ein Tier wies er nun weit von sich. Dieses gequälte Atmen deutete auf einen Menschen hin.
Der hatte sich dort versteckt!
Trotz seiner Größe und der massigen Figur war Lars ein Feigling.
Zudem konnte er seine Kräfte kaum richtig einteilen, er hatte große Schwierigkeiten mit der Kondition, und auf einen langen Kampf konnte er sich in keinem Fall einlassen.
Deshalb ging er nicht vor, sondern zurück. Lars Lengerich wollte überhaupt nicht sehen, was in dem zweiten Raum vorging, er merkte nur, daß sich dort etwas Unheimliches tat, denn die Gefahr rollte wie eine Welle auf ihn zu. Und die spürte er.
Lars drehte sich nicht, sondern schritt rückwärts auf die Treppe zu.
Dabei hob er seine Füße kaum vom Boden ab. Sie schleiften darüber hinweg, unter den Sohlen knirschte der Staub, und den Eingang behielt Lars Lengerich stets im Blickfeld.
Noch war er leer, zeigte sich dort nur ein düsteres Viereck, das sich vom Boden her abhob und bis zur Decke reichte. Das Licht aus dem ersten Raum fiel zwar über die Schwelle, versickerte aber sehr schnell und wurde von der Dunkelheit aufgesaugt.
Nur ein schmaler, heller Streifen blieb.
Lars zuckte zusammen, als er mit der Hacke gegen die Kante der untersten Treppe stieß. Es war nichts, nur die Tatsache allein, daß er den Widerstand spürte, erschreckte ihn so sehr, und er schaute nach hinten.
Genau in dem Augenblick erschien ein kleiner Schatten auf der Türschwelle, der sich allmählich von dem helleren Licht abhob und Konturen annahm. Lars Lengerich bemerkte es in dem Augenblick, als er sich umdrehte.
Eine Sekunde ist eine sehr kurze Zeitspanne. Sie kann auch lang werden, und das wurde sie für den Mann in diesem Augenblick.
Seine Augen weiteten sich, das Blut wich aus seinem Gesicht, er wurde leichenblass, denn mit dem Erkennen des Gegenstandes auf der Türschwelle, wurde für ihn ein Alptraum
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