Mad about you
draußen wartet ein Taxi. Als ob das hier nichts weiter als ein langweiliger, stinknormaler Botendienst wäre. Ich bin aber gerade dabei, mein Leben aus diesem Haus zu radieren, das für beinahe fünf Jahre mein Zuhause war.
» Du willst es also durchziehen, ja?« Er reibt sich über das Kinn und sieht müde aus.
» Jonathan, ich kann nicht«, versuche ich auf ihn einzuwirken, obwohl ich weiß, dass es hoffnungslos ist. »Es ist besser so. Für uns beide. Wir hatten doch schon lange keine Ehe mehr.«
» Wie du meinst.« Sein Gesicht ist unbeweglich. Mit starrer Miene hält er mir die Tür auf und lässt mich den schweren Karton nach unten auf die Straße tragen. Der junge Taxifahrer stürmt mir entgegen und nimmt mir die Kiste ab, nicht ohne einen missbilligenden Blick auf meinen Noch-Ehemann zu werfen, der in der Tür stehenbleibt und uns unbeteiligt beobachtet.
» Es kommen noch zwei. Oder drei«, sage ich. »Viel ist es nicht mehr.«
» Verstehe.« Der Junge nickt. Sieht aber nicht so aus, als ob er wirklich verstünde. Wie sollte er auch? In dem Alter glaubt man noch an die Liebe. An den Seelengefährten, der irgendwo auf der Welt auf einen wartet. Dieser eine Mensch, der die perfekte Ergänzung ist und alles in einem zum Flattern bringt. Und nicht daran, dass die meisten Menschen doch denjenigen heiraten, mit dem sie zufällig um ihren dreißigsten Geburtstag herum zusammen sind. Weil sie müde sind von der jahrelangen Suche, gebrannt von zahlreichen Enttäuschungen und desillusioniert. Weil sie endlich irgendwo ankommen wollen.
Jonathan sieht mich an wie einen Eindringling, als ich an ihm vorbei in das riesige Wohnzimmer zurü ckgehe und den nächsten Karton hole. Kellerkram Lilly . Es gibt noch Müll oder Lilly und Badezimmerzeugs. Fast muss ich über seine Kritzeleien lachen, doch ich verspüre ebenso einen Stich im Herzen. So endet es also. Irgendwie hatte ich es mir schlimmer vorgestellt. Oder anders. Es hätte sich zumindest anders anfühlen sollen. Im Moment spüre ich gar nichts, keine Trauer, keine Wehmut. Ich bin nicht einmal mehr wütend auf ihn. Wohin ist meine Wut verschwunden? In was hat sie sich verwandelt? Ich habe keine Ahnung, aber wenn ich in mich hineinlausche, höre ich nichts. Als ob ich verstummt wäre.
Nachdem der junge Fahrer mir den letzten Karton abgenommen und im Kofferraum verstaut hat, bleibe ich unschlüssig in der offenen Tür stehen.
»Also ... dann«, sage ich und sehe Jonathan in die Augen. Sie sind verhangen, er sieht aus, als hätte er wenig geschlafen oder sogar getrunken. Dabei trinkt er selten und nur in Gesellschaft, niemals allein. Trotz der Müdigkeit ist er immer noch sehr attraktiv. Er könnte jederzeit zu einem Casting für einen James Bond-Film gehen, und ich bin mir sicher, dass er genommen würde. Seine Ausstrahlung hat mich damals schwer beeindruckt, als ich Studentin war und er mir ein Leben bieten konnte, von dem ich als Mädchen in meinem winzigen Zimmer, das ich mit meinem Bruder teilen musste, immer geträumt habe. Er war mein weißer Prinz auf dem Pferd. Und sein Pferd war ein Aston Martin von 1969, in dem ich mich zum ersten Mal verführen ließ. Hummer, Austern, Champagner, ein teures Auto, Geschenke in Schatullen von Cartier. Und schon war seine Hand unter meinem Rock, sein Mund in meiner Bluse.
Ich schüttle die Erinnerung ab und halte ihm die Hand hin. »Bis bald, Jonathan. Du siehst erschöpft aus. Vielleicht solltest du mal Urlaub machen?«
Er schnaubt durch die Nase. »Natürlich. Damit du in Ruhe einen Plan schmieden kannst, wie du an mein Geld kommst. Das hast du dir wohl so vorgestellt.«
» Du weißt, dass ich nie an deinem Geld interessiert war«, sage ich nachdrücklich. »Und ich bin es auch jetzt nicht. Du kannst es behalten. Ich will einfach nur ... weg.«
» Du hörst dich an, als ob ich ein mieses Arschloch wäre. Als hätte ich dich verprügelt, eingesperrt, sonst was. Dabei hattest du bei mir den Himmel auf Erden, und zum Dank ruinierst du meinen Ruf als Anwalt. Weißt du, was die Leute denken, wenn ich geschieden werde? Wegen angeblicher Untreue? Weißt du, dass sich die Presse darauf stürzen wird? Sie werden sich daran ergötzen, Lilian. An uns. An unserem Leid.«
» Du hast mich verletzt, Jonathan. Auch wenn das vielleicht nie deine Absicht war, aber ... ich war eine Gefangene. Und jetzt will ich frei sein. Du hörst sicher bald von meinem Anwalt. Er regelt alles für mich. Mach es gut.«
Ich drehe mich um, doch er
Weitere Kostenlose Bücher