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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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denke. Denn die
Regierung sieht uns tüchtig auf die Finger, und die albernen
Gesetze, denen wir unterstehen, schweben unsereinem faktisch wie
ein Damoklesschwert fortwährend über dem Haupte!«
    Emma machte gar keinen Versuch mehr, zu fragen, was man von ihr
wolle, denn der Apotheker fuhr in atemlosen Sätzen fort:
    »So vergiltst du also die Wohltaten, die dir zuteil geworden
sind? So dankst du mir die geradezu väterliche Mühe und Sorgfalt,
die ich an dich verschwendet habe! Wo wärst du denn ohne mich? Wie
ginge dirs heute? Wer hat dich ernährt, erzogen, gekleidet? Wer
ermöglicht es dir, daß du eines Tages mit Ehren in die Gesellschaft
eintreten kannst? Aber um das zu erreichen, mußt du noch feste
zugreifen, mußt, wie man sagt, Blut schwitzen! 
Fabricando
sit faber, age, quad agis!
«
    Er war dermaßen aufgeregt, daß er Lateinisch sprach. Er hätte
Chinesisch oder Grönländisch gesprochen, wenn er das gekonnt hätte.
Denn er befand sich in einem Seelenzustand, in dem der Mensch sein
geheimstes Ich ohne Selbstkritik enthüllt, wie das Meer, das sich
im Sturm an seinem Gestade bis auf den Grund und Boden öffnet.
    Er predigte immer weiter:

    »Ich fange an, es furchtbar zu bereuen, daß ich dich in mein
Haus genommen habe. Ich hätte besser getan, dich in dem Elend Und
dem Schmutz stecken zu lassen, in dem du geboren bist! Du wirst
niemals zu etwas Besserem zu gebrauchen sein als zum Rindviehhüten.
Zur Wissenschaft hast du kein bißchen Talent! Du kannst kaum eine
Etikette aufkleben. Und dabei lebst du bei mir wie der liebe Gott
in Frankreich, wie ein Hahn im Korb, und läßt dirs über die Maßen
wohl gehn!«
    Emma wandte sich an Frau Homais:
    »Man hat mich hierher gerufen….«
    »Ach, du lieber Gott!« unterbrach die gute Frau sie mit
trauriger Miene. »Wie soll ichs Ihnen nur beibringen?… Es ist
nämlich ein Unglück passiert….«
    Sie kam nicht zu Ende. Der Apotheker überschrie sie:
    »Hier! Leer ihn wieder aus! Mache ihn wieder rein! Bring ihn
wieder an Ort und Stelle! Und zwar fix!«
    Er packte Justin beim Kragen und schüttelte ihn ab. Dabei
entfiel Justins Tasche ein Buch.
    Der Junge bückte sich, aber Homais war schneller als er, hob den
Band auf und betrachtete ihn mit weit aufgerissenen Augen und
offenem Mund.
    »Liebe und Ehe«, las er vor. »Aha! Großartig! Großartig!
Wirklich nett! Mit Abbildungen!… Das ist denn doch ein bißchen
starker Tobak!«
    Frau Homais wollte nach dem Buche greifen.
    »Nein, das ist nichts für dich!« wehrte er sie ab.
    Die Kinder wollten die Bilder sehn.
    »Geht hinaus!« befahl er gebieterisch.
    Und sie gingen hinaus.
    Eine Weile schritt er zunächst mit großen Schritten auf und ab,
das Buch halb geöffnet in der Hand, mit rollenden Augen,
ganz außer Atem, mit rotem Kopfe, als ob
ihn der Schlag rühren sollte. Dann ging er auf den Lehrling los und
stellte sich mit verschränkten Armen vor ihn hin:
    »Bist du denn mit allen Lastern behaftet, du Unglückswurm? Nimm
dich in acht, sag ich dir, du bist auf einer schiefen Ebene! Hast
du denn nicht bedacht, daß dieses schändliche Buch meinen Kindern
in die Hände fallen konnte, den Samen der Sünde in ihre Sinne
streuen, die Unschuld Athaliens trüben und Napoleon verderben? Er
ist kein Kind mehr! Kannst du wenigstens beschwören, daß die beiden
nicht darin gelesen haben? Kannst du mir das schwören?«
    »Aber so sagen Sie mir doch endlich,« unterbrach ihn Emma, »was
Sie mir mitzuteilen haben!«
    »Ach so, Frau Bovary: Ihr Herr Schwiegervater ist
gestorben!«
    In der Tat war der alte Bovary vor zwei Tagen just nach Tisch an
einem Schlaganfall verschieden. Aus übertriebener Rücksichtnahme
hatte Karl den Apotheker gebeten, seiner Frau die schreckliche
Nachricht schonend mitzuteilen.
    Homais hatte sich die Worte, die er sagen wollte, genauestens
überlegt und ausgeklügelt – ein Meisterwerk voll Vorsicht,
Zartgefühl und feiner Wendungen. Aber der Zorn hatte über seine
Sprachkunst triumphiert.
    Emma verzichtete auf Einzelheiten und verließ die Apotheke, da
Homais seine Strafpredigt wieder aufgenommen hatte, während er sich
mit seinem Käppchen Luft zufächelte. Allmählich beruhigte er sich
jedoch und ging in einen väterlicheren Ton über:
    »Ich will nicht sagen, daß ich dieses Buch gänzlich ablehne. Der
Verfasser ist Arzt, und es stehen wissenschaftliche Tatsachen
darin, mit denen sich ein Mann vertraut machen darf, ja die er
vielleicht kennen muß. Aber das hat ja
Zeit! Warte doch wenigstens,

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