Madame Bovary
handhabte Schere und
Nadel, ohne die Augen zu erheben. Karl stand, beide Hände in den
Taschen, in seinen Tuchpantoffeln und seinem alten braunen
Überrock, der ihm als Hausanzug diente, bei ihnen und sprach auch
kein Wort. Berta, die ein weißes Schürzchen umhatte, spielte mit
ihrer Schaufel im Sande.
Plötzlich sahen sie Lheureux, den Modewarenhändler, kommen.
Er bot in Anbetracht des »betrüblichen
Ereignisses« seine Dienste an. Emma erwiderte, sie glaube darauf
verzichten zu können, aber der Händler wich nicht so leicht.
»Ich bitte tausendmal um Verzeihung,« sagte er, »aber ich muß
Herrn Doktor um eine private Unterredung bitten.« Und flüsternd
fügte er hinzu: »Es ist wegen dieser Sache … Sie wissen
schon….«
Karl wurde rot bis über die Ohren.
»Gewiß … freilich … natürlich!«
In seiner Verwirrung wandte er sich an seine Frau:
»Könntest du das nicht mal … meine Liebe…?«
Sie verstand ihn offenbar und erhob sich. Karl sagte zu seiner
Mutter:
»Es ist nichts weiter! Wahrscheinlich irgend eine Kleinigkeit,
die den Haushalt betrifft.«
Er fürchtete ihre Vorwürfe und wollte nicht, daß sie die
Vorgeschichte des Wechsels erführe.
Sobald sie allein waren, beglückwünschte Lheureux Emma in
ziemlich eindeutigen Worten zur Erbschaft und schwatzte dann von
gleichgültigen Dingen, vom Spalierobst, von der Ernte und von
seiner Gesundheit, die immer »so lala« sei. Er müßte sich wirklich
höllisch anstrengen und, was die Leute auch sagten, ihm fehle doch
die Butter zum Brote.
Emma ließ ihn reden. Seit zwei Tagen langweilte sie sich
entsetzlich.
»Und sind Sie völlig wiederhergestellt?« fuhr er fort. »Ich sag
Ihnen, ich habe Ihren armen Mann in einer schönen Verfassung
gesehn! Ja, ja, er ist ein guter Mensch, wenn wir uns auch
ordentlich einander in die Haare gefahren sind.«
Sie fragte, was das gewesen sei. Karl hatte ihr nämlich die
Streitigkeit wegen der gelieferten Waren verschwiegen.
»Aber Sie wissen doch! Es handelte sich um
Ihre Sachen zur Reise….«
Er hatte den Hut tief in die Stirn hereingezogen, die Hände auf
den Rücken genommen und sah ihr, lächelnd und leise redend, mit
einem unerträglichen Blick ins Gesicht. Vermutete er etwas? Emma
verlor sich in allerlei Befürchtungen. Inzwischen fuhr er fort:
»Aber wir haben uns schließlich geeinigt, und ich bin gekommen,
ihm ein Arrangement vorzuschlagen….«
Es handelte sich darum, den Wechsel, den Bovary ausgestellt
hatte, zu erneuern. Übrigens könne der Herr Doktor die Sache ganz
nach seinem Belieben regeln; er brauche sich gar nicht zu
ängstigen, noch dazu jetzt, wo er gewiß mit Sorgen überhäuft
sei.
»Das beste wäre ja, wenn die Schuld jemand anders übernähme. Sie
zum Beispiel. Durch eine Generalvollmacht. Das wäre das Bequemste.
Wir könnten dann unsere kleinen Geschäfte miteinander
abmachen.«
Sie begriff nicht recht, aber er sagte nichts weiter. Dann kam
er auf sein Geschäft zu sprechen und erklärte ihr, sie müsse
unbedingt etwas nehmen. Er wolle ihr zwölf Meter Barege schicken,
zu einem neuen schwarzen Kleide.
»Das, was Sie da haben, ist gut fürs Haus. Sie brauchen noch
noch ein andres für die Besuche. Gleich beim Eintreten habe ich das
bemerkt. Ja, ja, ich habe Augen wie ein Amerikaner!«
Er schickte den Stoff nicht, sondern brachte ihn selbst. Dann
kam er nochmals, um Maß zu nehmen, und dann unter allen möglichen
anderen Vorwänden wieder und wieder, wobei er sich so gefällig und
dienstbeflissen wie nur möglich stellte. Er stand »gehorsamst zur
Verfügung«, wie Homais zu sagen pflegte. Dabei flüsterte er Emma immer wieder irgendwelche
Ratschläge wegen der Generalvollmacht zu. Den Wechsel erwähnte er
nicht mehr, und Emma dachte auch nicht daran. Karl hatte wohl kurz
nach ihrer Genesung mit ihr darüber gesprochen, aber es war ihr
seitdem so viel durch den Kopf gegangen, daß sie das vergessen
hatte. Sie hütete sich überhaupt, Geldinteressen an den Tag zu
legen. Frau Bovary wunderte sich darüber, aber sie schrieb das der
Frömmigkeit zu, die zur Zeit der Krankheit in ihr erstanden
sei.
Sobald die alte Frau jedoch abgereist war, setzte Emma ihren
Gatten durch ihren Geschäftssinn in Erstaunen. Man müsse
Erkundigungen einholen, die Hypotheken prüfen und feststellen, ob
nicht vielleicht ein Nachlaßkonkurs nötig sei. Sie gebrauchte auf
gut Glück allerhand juristische Ausdrücke, sprach von Ordnung des
Nachlasses, Nachlaßverbindlichkeiten, Haftung usw., und
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