Madame Bovary
aufgestanden waren,
hatten offenbar beim Rasieren nicht Licht genug gehabt und hatten
sich unter der Nase die Kreuz und die Quer geschnitten oder hatten
am Kinn Löcher in der Haut bekommen, groß wie Talerstücke.
Unterwegs hatten sich diese Wunden in der frischen Morgenluft
gerötet, und so leuchteten auf den breiten blassen Bauerngesichtern
große rote Flecke.
Das Gemeindeamt lag eine halbe Stunde vom Pachthofe entfernt.
Man begab sich zu Fuß dahin und ebenso zurück, nachdem die
Zeremonie in der Kirche stattgefunden hatte. Der Hochzeitszug war
anfangs wohlgeordnet gewesen. Wie ein buntes Band hatte er sich
durch die grünen Felder geschlängelt. Aber bald lockerte er sich und zerfiel in verschiedene Gruppen,
von denen sich die letzten plaudernd verspäteten. Ganz vorn schritt
ein Spielmann mit einer buntbebänderten Fiedel. Dann kamen die
Brautleute, darauf die Verwandten, dahinter ohne besondre Ordnung
die Freunde und zuletzt die Kinder, die sich damit vergnügten,
Ähren aus den Kornfeldern zu rupfen oder sich zu jagen, wenn es
niemand sah. Emmas Kleid, das etwas zu lang war, schleppte ein
wenig auf der Erde hin. Von Zeit zu Zeit blieb sie stehen, um den
Rock aufzuraffen. Dabei las sie behutsam mit ihren behandschuhten
Händen die kleinen stacheligen Distelblätter ab, die an ihrem
Kleide hängen geblieben waren. Währenddem stand Karl mit leeren
Händen da und wartete, bis sie fertig war. Vater Rouault trug einen
neuen Zylinderhut und einen schwarzen Rock, dessen Ärmel ihm bis an
die Fingernägel reichten. Am Arm führte er Frau Bovary senior. Der
alte Herr Bovary, der im Grunde seines Herzens die ganze Sippschaft
um sich herum verachtete, war einfach in einem uniformähnlichen
einreihigen Rock erschienen. Ihm zur Seite schritt eine junge
blonde Bäuerin, die er mir derben Galanterien traktierte. Sie hörte
ihm respektvoll zu, wußte aber in ihrer Verlegenheit gar nicht, was
sie sagen sollte. Die übrigen Gäste sprachen von ihren Geschäften
oder ulkten sich gegenseitig an, um sich in fidele Stimmung zu
bringen. Wer aufhorchte, hörte in einem fort das Tirilieren des
Spielmannes, der auch im freien Felde weitergeigte. Sooft er
bemerkte, daß die Gesellschaft weit hinter ihm zurückgeblieben war,
machte er Halt und schöpfte Atem. Umständlich rieb er seinen
Fiedelbogen mit Kolophonium ein, damit die Saiten schöner
quietschen sollten, und dann setzte er sich wieder in Bewegung. Er
hob und senkte den Hals seines Instruments, um recht hübsch im
Takte zu bleiben. Die Fidelei verscheuchte die Vögel schon von
weitem.
Die Festtafel war unter dem Schutzdache des
Wagenschuppens aufgestellt. Es prangten darauf vier Lendenbraten,
sechs Schüsseln mit Hühnerfrikassee, eine Platte mit gekochtem
Kalbfleisch, drei Hammelkeulen und in der Mitte, umgeben von vier
Leberwürsten in Sauerkraut, ein köstlich knusprig gebratenes
Spanferkel. An den vier Ecken des Tisches brüsteten sich Karaffen
mit Branntwein, und in einer langen Reihe von Flaschen wirbelte
perlender Apfelweinsekt, während auf der Tafel bereits alle Gläser
im voraus bis an den Rand vollgeschenkt waren. Große Teller mit
gelber Creme, die beim leisesten Stoß gegen den Tisch zitterte und
bebte, vervollständigten die Augenweide. Auf der glatten Oberfläche
dieses Desserts prangten in umschnörkelten Monogrammen von
Zuckerguß die Anfangsbuchstaben der Namen von Braut und Bräutigam.
Für die Torten und Kuchen hatte man einen Konditor aus Yvetot
kommen lassen. Da dies sein Debüt in der Gegend war, hatte er sich
ganz besondre Mühe gegeben. Beim Nachtisch trug er eigenhändig ein
Prunkstück seiner Kunst auf, das ein allgemeines ›Ah!‹ hervorrief.
Der Unterbau aus blauer Pappe stellte ein von Sternen aus
Goldpapier übersätes Tempelchen dar, mit einem Säulenumgang und
Nischen, in denen Statuen aus Marzipan standen. Im zweiten
Stockwerk rundete sich ein Festungsturm aus Pfefferkuchen, umbaut
von einer Brustwehr aus Bonbons, Mandeln, Rosinen und
Apfelsinenschnitten. Die oberste Plattform aber krönte über einer
grünen Landschaft aus Wiesen, Felsen und Teichen mit
Nußschalenschiffchen darauf (alles Zuckerwerk): ein niedlicher
Amor, der sich auf einer Schaukel aus Schokolade wiegte. In den
beiden kugelgeschmückten Schnäbeln der Schaukel steckten zwei
lebendige Rosenknospen.
Man schmauste bis zum Abend. Wer von dem zu langen Sitzen
ermüdet war, ging im Hof oder im Garten spazieren oder
machte eine Partie des in jener Gegend
beliebten
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