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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Pfropfenspiels mit und setzte sich dann wieder an den
Tisch. Ein paar Gäste schliefen gegen das Ende des Mahles ein und
schnarchten ganz laut. Aber beim Kaffee war alles wieder munter.
Man sang Lieder, vollführte allerlei Kraftleistungen, stemmte
schwere Steine, schoß Purzelbäume, hob Schubkarren bis zur
Schulterhöhe, erzählte gepfefferte Geschichten und scharwenzelte
mit den Damen.
    Vor dem Aufbruch war es kein leichtes Stück Arbeit, den Pferden,
die allesamt der allzu reichlich vertilgte Hafer stach, die Kumte
und Geschirre aufzulegen. Die übermütigen Tiere stiegen, bockten
und schlugen aus, während die Herren und Kutscher fluchten und
lachten. Die ganze Nacht hindurch gab es auf den mondbeglänzten
Landstraßen in Karriere über Stock und Stein heimrasende
Fuhrwerke.
    Die nachtüber in Bertaux bleibenden Gäste zechten am
Küchentische bis zum frühen Morgen weiter, während die Kinder unter
den Bänken schliefen.
    Die junge Frau hatte ihren Vater besonders gebeten, sie vor den
herkömmlichen Späßen zu bewahren. Indessen machte sich ein Vetter –
ein Seefischhändler, der als Hochzeitsgeschenk selbstverständlich
ein paar Seezungen gestiftet hatte – doch daran, einen Mund voll
Wasser durch das Schlüsselloch des Brautgemachs zu spritzen. Vater
Rouault erwischte ihn gerade noch rechtzeitig, um ihn daran zu
hindern. Er machte ihm klar, daß sich derartige Scherze mit der
Würde seines Schwiegersohnes nicht vertrügen. Der Vetter ließ sich
durch diese Einwände nur widerwillig von seinem Vorhaben abbringen.
Insgeheim hielt er den alten Rouault für aufgeblasen. Er setzte
sich unten in eine Ecke mir vier bis fünf andern Unzufriedenen, die
während des Mahles bei der Wahl der Fleischstücke Mißgriffe getan
hatten. Diese Unglücksmenschen räsonierten nun alle untereinander auf den Gastgeber und wünschten ihm
ungeniert alles Üble.
    Die alte Frau Bovary war den ganzen Tag über aus ihrer
Verbissenheit nicht herausgekommen. Man hatte sie weder bei der
Toilette ihrer Schwiegertochter noch bei den Vorbereitungen zur
Hochzeitsfeier um Rat gefragt. Darum zog sie sich zeitig zurück.
Ihrem Manne aber fiel es nicht ein, mit zu verschwinden; er ließ
sich Zigarren holen und paffte bis zum Morgen, wozu er Grog von
Kirschwasser trank. Da diese Mischung den Dabeisitzenden unbekannt
war, staunte man ihn erst recht als Wundertier an.
    Karl war kein witziger Kopf, und so hatte er während des Festes
gar keine glänzende Rolle gespielt. Gegen alle die Neckereien,
Späße, Kalauer, Zweideutigkeiten, Komplimente und Anulkungen, die
ihm der Sitte gemäß bei Tische zuteil geworden waren, hatte er sich
alles andre denn schlagfertig gezeigt. Um so mächtiger war seine
innere Wandlung. Am andern Morgen war er offensichtlich wie
neugeboren. Er und nicht Emma war tags zuvor sozusagen die Jungfrau
gewesen. Die junge Frau beherrschte sich völlig und ließ sich nicht
das geringste anmerken. Die größten Schandmäuler waren sprachlos;
sie standen da wie vor einem Wundertier. Karl freilich machte aus
seinem Glück kein Hehl. Er nannte Emma »mein liebes Frauchen«,
duzte sie, lief ihr überallhin nach und zog sie mehrfach abseits,
um allein mit ihr im Hofe unter den Bäumen ein wenig zu plaudern,
wobei er den Arm vertraulich um ihre Taille legte. Beim Hin- und
Hergehen kam er ihr mit seinem Gesicht ganz nahe und zerdrückte mit
seinem Kopfe ihr Halstuch.
    Zwei Tage nach der Hochzeit brachen die Neuvermählten auf. Karl
konnte seiner Patienten wegen nicht länger verweilen. Vater Rouault
ließ das Ehepaar in seinem Wagen nach Haus fahren und gab ihm persönlich bis Vassonville das
Geleite. Beim Abschied küßte er seine Tochter noch einmal, dann
stieg er aus und machte sich zu Fuß auf den Rückweg.
    Nachdem er hundert Schritte gegangen war, blieb er stehen, um
dem Wagen nachzuschauen, der die sandige Straße dahinrollte. Dabei
seufzte er tief auf. Er dachte zurück an seine eigne Hochzeit, an
längstvergangne Tage, an die Zeit der ersten Mutterschaft seiner
Frau. Wie froh war er damals gewesen. Er erinnerte sich des Tages,
wo er mit ihr das Haus des Schwiegervaters verlassen hatte. Auf dem
Ritt in das eigne Heim, durch den tiefen Schnee, da hatte er seine
Frau hinten auf die Kruppe seines Pferdes gesetzt. Es war so um
Weihnachten herum gewesen, und die ganze Gegend war verschneit. Mit
der einen Hand hatte sie sich an ihm festgehalten, in der andern
ihren Korb getragen. Die langen Bänder ihres normannischen
Kopfputzes hatten

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