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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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geschähe,
wenn sie zufällig auch bald stürbe.
    In den ersten Tagen beschäftigte sich Emma damit, sich allerlei
Änderungen in ihrem Hause auszudenken. Sie nahm die Glasglocken von
den Leuchtern, ließ neu tapezieren, die Treppe streichen und Bänke
im Garten aufstellen, um die Sonnenuhr herum.
    Sie erkundigte sich, ob nicht ein
Wasserbassin mit einem Springbrunnen und Fischen darin angelegt
werden könnte. Karl wußte, daß sie gern spazieren fuhr, und da sich
gerade eine Gelegenheit bot, kaufte er ihr einen Wagen. Nach
Anbringung von neuen Laternen und gesteppten Spritzledern sah er
ganz aus wie ein Dogcart.
    So war Karl der glücklichste und sorgenloseste Mensch auf der
Welt. Die Mahlzeiten zu zweit, die Abendpromenaden auf der
Landstraße, die Gesten von Emmas Hand, wenn sie sich das Band im
Haar zurechtstrich, der Anblick ihres an einem Fensterkreuze
hängenden Strohhutes und noch allerhand andre kleine Dinge, von
denen er nie geglaubt hätte, daß sie einen erfreuen könnten, all
das trug dazu bei, daß sein Glück nicht aufhörte. Frühmorgens im
Bette, Seite an Seite mit ihr auf demselben Kopfkissen, sah er zu,
wie die Sonnenlichter durch den blonden Flaum ihrer von den
Haubenbändern halbverdeckten Wangen huschten. So aus der Nähe kamen
ihm ihre Augen viel größer vor, besonders beim Erwachen, wenn sich
ihre Lider mehrere Male hintereinander hoben und wieder senkten. Im
Schatten sahen diese Augen schwarz aus und dunkelblau am lichten
Tage; in ihrer Tiefe wurden sie immer dunkler, während sie sich
nach der schimmernden Oberfläche zu aufhellten. Sein eigenes Auge
verlor sich in diese Tiefe; er sah sich darin gespiegelt, ganz
klein, bis an die Schultern, mit dem Seidentuche, das er sich um
den Kopf geschlungen hatte, und dem Kragen seines offen stehenden
Nachthemdes.
    Wenn er aufgestanden war, schaute sie ihm vom Fenster aus nach,
um ihn fortreiten zu sehen. Eine Weile blieb sie, auf das
Fensterbrett gestützt, so stehen,in ihrem Morgenkleide,das sie
leicht umfloß, zwischen zwei Geranienstöcken. Karl unten auf der
Straße schnallte sich an einem Prellsteine seine Sporen an.
Emma sprach in einem fort zu ihm von oben
herunter, währenddem sie mit ihrem Munde eine Blüte oder ein
Blättchen von den Geranien abzupfte und ihm zublies. Das Abgerupfte
schwebte und schaukelte sich in der Luft, flog in kleinen Kreifen
wie ein Vogel und blieb schließlich im Fallen in der ungepflegten
Mähne der alten Schimmelstute hängen, die unbeweglich vor der
Haustüre wartete. Karl saß auf und warf seiner Frau eine Kußhand
zu. Sie antwortete winkend und schloß das Fenster. Er ritt ab.
    Dann, auf der endlos sich hinwindenden staubigen Landstraße, in
den Hohlwegen, über denen sich die Bäume zu einem Laubdache
schlossen, auf den Feldwegen, wo ihm das Korn zu beiden Seiten die
Knie streifte, die warme Sonne auf dem Rücken, die frische
Morgenluft in der Nase und das Herz noch voll von den Freuden der
Nacht, friedsamen Gemüts und befriedigter Sinne, – da genoß er all
sein Glück abermals, just wie einer, der nach einem Schlemmermahle
den Wohlgeschmack der Trüffeln, die er bereits verdaut, noch auf
der Zunge hat.
    Was hatte er bisher an Glück in seinem Leben erfahren? War er
denn im Gymnasium glücklich gewesen, wo er sich in der Enge hoher
Mauern so einsam gefühlt hatte, unter seinen Kameraden, die reicher
und stärker waren als er, über seine bäuerische Aussprache lachten,
sich über seinen Anzug lustig machten und zur Besuchszeit mit ihren
Müttern plauderten, die mit Kuchen in der Tasche kamen? Oder etwa
später als Student der Medizin, wo er niemals Geld genug im Beutel
gehabt hatte, um irgendein kleines Mädel zum Tanz führen zu können,
das seine Geliebte geworden wäre? Oder gar während der vierzehn
Monate, da er mit der Witwe verheiratet war, deren Füße im Bett
kalt wie Eisklumpen gewesen waren? Aber jetzt, jetzt besaß er für
immerdar seine hübsche Frau, in die er vernarrt war. Seine Welt
fand ihre Grenzen mit der Saumlinie ihresseidnen Unterrocks, und doch machte er sich den
Vorwurf, er liebe sie nicht genug. Und so überkam ihn unterwegs die
Sehnsucht nach ihr. Spornstreichs ritt er heimwärts, rannte die
Treppe hinauf, mit klopfendem Herzen…. Emma saß in ihrem Zimmer bei
der Toilette. Er schlich sich auf den Fußspitzen von hinten an sie
heran und küßte ihr den Nacken. Sie stieß einen Schrei aus.
    Er konnte es nicht lassen, immer wieder ihren Kamm, ihre Ringe,
ihr Halstuch zu befühlen.

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