Madame Bovary
Minuten … Da
gab es mit einem Male einen Schlag gegen die Mauer. Der Laden blieb
sperrangelweit offen und wackelte noch eine Weile.
Am andern Morgen war Karl vor neun Uhr in Bertaux. Emma wurde
über und über rot, als sie ihn sah. Sie lächelte gezwungen ein
wenig, um ihre Fassung zu bewahren. Rouault umarmte seinen
künftigen Schwiegersohn. Die Besprechung der geschäftlichen Punkte
wurde verschoben. Übrigens war noch viel Zeit dazu, da die Hochzeit
anstandshalber vor Ablauf von Karls Trauerjahr nicht stattfinden
konnte, das hieß, nicht vor dem nächsten Frühjahr.
In dieser Erwartung verging der Winter. Fräulein
Rouault beschäftigte sich mit ihrer
Aussteuer. Ein Teil davon wurde in Rouen bestellt. Die Hemden und
Hauben stellte sie nach Schnitten, die sie sich lieh, selbst her.
Wenn Karl zu Besuch kam, plauderte das Brautpaar von den
Vorbereitungen zur Hochzeitsfeier. Es wurde überlegt, in welchem
Raume das Festmahl stattfinden, wieviel Platten und Schüsseln auf
die Tafel kommen und was für Vorspeisen es geben solle.
Am liebsten hätte es Emma gehabt, wenn die Trauung auf nachts
zwölf Uhr bei Fackelschein festgesetzt worden wäre; aber für solche
Romantik hatte Vater Rouault kein Verständnis. Man einigte sich
also auf eine Hochzeitsfeier, zu der dreiundvierzig Gäste
Einladungen bekamen. Sechzehn Stunden wollte man bei Tisch sitzen
bleiben. Am nächsten Tage und an den folgenden sollte es so
weitergehen.
Kapitel 4
Die Hochzeitsgäste stellten sich pünktlich ein, in Kutschen,
Landauern, Einspännern, Gigs, Kremsern mit Ledervorhängen, in
allerlei Fuhrwerk moderner und vorsintflutlicher Art. Das junge
Volk aus den nächsten Nachbardörfern kam tüchtig durchgerüttelt im
Trabe in einem Heuwagen angefahren, aufrecht in einer Reihe
stehend, die Hände an den Seitenstangen, um nicht umzufallen.
Etliche eilten zehn Wegstunden weit herbei, aus Goderville,
Normanville und Cany. Die Verwandten beider Familien waren samt und
sonders geladen. Freunde, mit denen man uneins gewesen, versöhnte
man, und es war an Bekannte geschrieben worden, von denen man wer
weiß wie lange nichts gehört hatte.
Immer wieder vernahm man hinter der Gartenhecke
Peitschengeknall. Eine Weile später erschien der Wagen im Hoftor.
Im Galopp ging es bis zur Freitreppe, wo mit einem Rucke gehalten
wurde. Die Insassen stiegen nach beiden Seiten aus. Man rieb sich
die Knie und turnte mit den Armen. Die Damen, Hauben auf dem Kopfe,
trugen städtische Kleider, goldne Uhrketten, Umhänge mit langen
Enden, die sie sich kreuzweise umgeschlagen hatten, oder Schals,
die mit einer Nadel auf dem Rücken festgesteckt waren, damit sie
hinten den Hals frei ließen. Die Knaben, genau so angezogen wie
ihre Väter, fühlten sich in ihren Röcken sichtlich unbehaglich;
viele hatten an diesem Tage gar zum ersten Male richtige Stiefel
an. Ihnen zur Seite gewahrte man vierzehn- bis sechzehnjährige
Mädchen, offenbar ihre Basen oder älteren Schwestern, in ihren
weißen Firmelkleidern, die man zur Feier des Tages um ein Stück
länger gemacht hatte, alle mit roten verschämten Gesichtern und
pomadisiertem Haar, voller Angst, sich die Handschuhe nicht zu
beschmutzen. Da nicht Knechte genug da waren, um all die Wagen
gleichzeitig abzuspannen, streiften die
Herren die Rockärmel hoch und stellten ihre Pferde eigenhändig ein.
Je nach ihrem gesellschaftlichen Range waren sie in Fräcken, Röcken
oder Jacketts erschienen. Manche in ehrwürdigen Bratenröcken, die
nur bei ganz besonderen Festlichkeiten feierlich aus dem Schranke
geholt wurden; ihre langen Schöße flatterten im Winde, die Kragen
daran sahen aus wie Halspanzer, und die Taschen hatten den Umfang
von Säcken. Es waren auch Jacken aus derbem Tuch zum Vorschein
gekommen, meist im Verein mit messingumränderten Mützen; fernerhin
ganz kurze Röcke mit zwei dicht nebeneinandersitzenden großen
Knöpfen hinten in der Taille und mit Schößen, die so ausschauten,
als habe sie der Zimmermann mit einem Beile aus dem Ganzen
herausgehackt. Ein paar (einige wenige) Gäste – und das waren
solche, die dann an der Festtafel gewiß am alleruntersten Ende zu
sitzen kamen – trugen nur Sonntagsblusen mit breitem Umlegekragen
und Rückenfalten unter dem Gürtel.
Die steifen Hemden wölbten sich über den Brüsten wie Kürasse.
Durchweg hatte man sich unlängst das Haar schneiden lassen (um so
mehr standen die Ohren von den Schädeln ab!), und alle waren
ordentlich rasiert. Manche, die noch im Dunkeln
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