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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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die beiden zurück, wenn
auf dem Marktplätze kein Licht mehr schimmerte, außer aus dem
Stübchen Binets.
    Aber auf die Dauer befriedigte ihn die Wollust seines Schmerzes
nicht mehr. Er brauchte jemanden, der sein Leid mit ihm teilte. Aus
diesem Grunde suchte er Frau Franz auf, um von »ihr« sprechen zu
können. Aber die Wirtin hörte nur mit halbem Ohre zu, da auch sie
ihre Sorgen hatte. Lheureux hatte nämlich seine Postverbindung
zwischen Yonville und Rouen eröffnet, und Hivert, der ob seiner
Zuverlässigkeit in Kommissionen allenthalben großes Vertrauen
genoß, verlangte Lohnerhöhung und drohte, »zur Konkurrenz«
überzugehen.
    Eines Tages, als Karl nach Argueil zum Markt gegangen war, um
sein Pferd, sein letztes Stück Besitz, zu verkaufen, begegnete er
Rudolf. Als sie einander sahn, wurden sie beide blaß. Rudolf, der
bei Emmas Tode sein Beileid nur durch seine Visitenkarte bezeigt
hatte, murmelte zunächst einige Worte der Entschuldigung, dann aber
faßte er Mut und hatte sogar die Dreistigkeit, – es war ein heißer
Augusttag – Karl zu einem Glas Bier in der nächsten Kneipe
einzuladen.
    Er lümmelte sich Karl gegenüber auf der Tischplatte auf,
plauderte und schmauchte seine Zigarre. Karl verlor sich in tausend
Träumen vor diesem Gesicht, das »sie« geliebt hatte. Es
war ihm, als sähe er ein Stück von ihr
wieder. Das war ihm selber sonderbar. Er hätte der andre sein
mögen.
    Rudolf sprach unausgesetzt von landwirtschaftlichen Dingen, vom
Vieh, vom Düngen und dergleichen. Wenn er einmal in seiner Rede
stockte, half er sich mit ein paar allgemeinen Redensarten. So
vermied er jedwede Anspielung auf das Einst. Karl hörte ihm gar
nicht zu. Rudolf nahm das wahr; er ahnte, daß hinter diesem
zuckenden Gesicht Erinnerungen heraufkamen. Karls Wangen röteten
sich mehr und mehr, seine Nasenflügel blähten sich, seine Lippen
bebten. Einen Augenblick lang sahen Karls Augen in so düsterem
Groll auf Rudolf, daß dieser erschrak und mitten im Satz
steckenblieb. Aber alsbald erschien wieder die frühere
Lebensmüdigkeit auf Karls Gesicht.
    »Ich bin Ihnen nicht böse!« sagte er.
    Rudolf blieb stumm. Karl barg den Kopf zwischen seinen Händen
und wiederholte mit erstickter Stimme im resignierten Tone
namenloser Schmerzen:
    »Nein, ich bin Ihnen nicht mehr böse!«
    Er fügte ein großes Wort hinzu, das einzige, das er je in seinem
Leben sprach:
    »Das Schicksal ist schuld!«
    Rudolf, der dieses Schicksal gelenkt hatte, fand insgeheim, für
einen Mann in seiner Lage sei Bovary doch allzu gutmütig,
eigentlich sogar komisch und verächtlich.
    Am Tag darauf setzte Karl sich auf die Bank in der Laube. Die
Abendsonne leuchtete durch das Gitter, die Weinblätter zeichneten
ihren Schatten auf den Sand, der Jasmin duftete süß, der Himmel war
blau, Insekten summten um die blühenden Lilien. Karl atmete schwer;
das Herz war ihm beklommen und tieftraurig vor unsagbarer
Liebessehnsucht.
    Um sieben Uhr kam Berta, die ihn den ganzen
Nachmittag nicht gesehen hatte, um ihn zum Essen zu holen.
    Sein Kopf war gegen die Mauer gesunken. Die Augen waren ihm
zugefallen, sein Mund stand offen. In den Händen hielt er eine
lange schwarze Haarlocke.
    »Papa, komm doch!« rief die Kleine.
    Sie glaubte, er wolle mit ihr spaßen, und stieß ihn sacht an. Da
fiel er zu Boden. Er war tot.
    Sechsunddreißig Stunden darnach eilte auf Veranlassung des
Apothekers Doktor Canivet herbei. Er öffnete die Leiche, fand aber
nichts.
    Als aller Hausrat verkauft war, blieben zwölf und dreiviertel
Franken übrig, die gerade ausreichten, die Reise der kleinen Berta
Bovary zu ihrer Großmutter zu bestreiten. Die gute alte Frau starb
aber noch im selben Jahre, und da der Vater Rouault gelähmt war,
nahm sich eine Tante des Kindes an. Sie ist arm und schickt Berta,
damit sie sich das tägliche Brot verdient, in eine
Baumwollspinnerei.
    Seit Bovarys Tode haben sich bereits drei Ärzte nacheinander in
Yonville niedergelassen, aber keiner hat sich dort halten können.
Homais hat sie alle aus dem Feld geschlagen. Seine Kurpfuscherei
hat einen unheimlichen Umfang gewonnen. Die Behörde duldet ihn, und
die öffentliche Meinung empfiehlt ihn immer mehr.
    Kürzlich hat er das Kreuz der Ehrenlegion erhalten.

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