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Madame Butterflys Schatten

Madame Butterflys Schatten

Titel: Madame Butterflys Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Langley
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auf.
    Früher einmal hatte er gedacht, er sei Amerikaner. Später zogen ihn alte, brüchige Bande in eine andere Richtung, und er sah sich selbst wie in der letzten Einstellung eines Films dem Land der aufgehenden Sonne entgegenreiten. Aber jetzt war es zu spät, um Wurzeln zu schlagen. Hier oder anderswo.
    Über ihm zeichneten Vogelschwärme ein filigranes Muster an den Himmel. Wenn die Schwalben wieder ihre Nester bauen, komme ich zurück, hatte Pinkerton zu Butterfly gesagt. Suzuki hatte seine Worte vor Joe mit einer Mischung aus Traurigkeit und Belustigung wiederholt.
    Ein Schwarm nach dem anderen verschwanden die gefiederten Pfeile im Nichts. Vielleicht konnten ihm die Vögel eine Antwort geben: Wie sie würde er weggehen, Land und Meer überqueren und sich eine Weile an dem erwählten Ort niederlassen. Und wenn irgendeine Art von innerer Sonnenwende ihm das Zeichen gab, dann würde er sich nach Osten begeben – oder nach Westen, je nach Jahreszeit.
    Yasuko würde beschäftigt sein, davon in Anspruch genommen, ihre zersplitterte Familie wieder zu einem Ganzen zusammenzufügen, sie ins Leben zurückzutreiben, wie ein grimmiger Hütehund, der nach ihren Beinen schnappte. Weil sie wichtig war. Und zum ersten Mal gab es etwas, das er festhalten wollte, das Bedürfnis nach Zugehörigkeit.
    »Ich komme wieder«, sagte er zu ihr, als sie aneinandergeschmiegt auf dem schäbigen Futon lagen. Sie bedachte ihn mit ihrem kühlen, strengen Blick und hob eine Augenbraue.
    »Darauf würde ich nicht zählen.«
    »Tu’s ruhig.«
    Es gab so viel, was er hier gerne getan hätte, an den Gliedern dieses zerbrochenen Armbands aus Inseln entlang von Okinawa nach Hokkaido wandern, Cho-Chos Haus wiederaufbauen – Suzuki hatte ihm erklärt, dass es ihm gehörte, Cho-Cho hatte mit gewohnter Gründlichkeit die entsprechenden Vorkehrungen getroffen. Bevor er wieder gefahren war, hatten sie den schmalen Streifen verbrannter Erde zwischen dem Haus und der Straße betrachtet.
    »Wenn ich mir sehr viel Mühe gebe, könnte ich vielleicht einen Zen-Garten anlegen.«
    Sie murmelte etwas, und er lächelte wehmütig. »Nicht angemessen?«
    »Sie wollte immer einen amerikanischen Garten.«
    »Das kann ich nicht machen. Nicht angemessen«, äffte er sie nach. »Meinst du, sie würde mir verzeihen?«
    »Das hat nichts mit Verzeihen zu tun. Sie würde deinen Standpunkt verstehen.«
    Als sie sich voneinander verabschiedeten, überreichte sie ihm eine Metallschatulle, die einst kunstvolle Verzierungen und Emailleeinlagen geschmückt hatten. Jetzt war sie geschwärzt, die Oberfläche fühlte sich rau an wie Brailleschrift, als wären rätselhafte Botschaften darin eingelassen.
    »Hier hat sie die Briefe aufbewahrt, die sie Jahr für Jahr an dich geschrieben hat.«
    »Und nie aufgegeben.«
    »Sie hat gehofft, dass du sie eines Tages lesen und dann vielleicht etwas mehr verstehen würdest.«
    Die Hitze hatte den Deckel verbogen. Er schaffte es, ihn aufzustemmen, und blickte in die Schatulle: schwarze Blätter, durch die Hitze der Bombe in Asche verwandelt, eingerollt und porös; sie raschelten wie Seide, wie verbrannte Zwiebelschalen.
    Als er auf dem gewundenen Pfad den Hügel hinaufgegangen war und aus der Ferne das Haus zum ersten Mal erblickt hatte, hatte es fast unbeschädigt ausgesehen, doch aus der Nähe entpuppte es sich als bloße Fassade. Er hatte das nicht vorhandene Haus angestarrt und sich betrogen gefühlt: Von seiner Mutter war nichts geblieben. Und dann hatten Suzukis Fingerspitzen seinen Arm berührt, und sie hatte ihm gezeigt, wohin er sehen musste.
    Der Blitz, von dem Cho-Cho im Bruchteil einer Sekunde ausgelöscht worden war, hatte ihren Umriss in die Mauer eingebrannt. In diesem einen Moment gleißender Helligkeit hatte sie die Fläche hinter sich mit ihrem Körper geschützt und eine vollkommene Silhouette zurückgelassen, einen Schatten, der einmal eine Frau gewesen war. Den Schatten einer Frau mit über den Kopf erhobenen Armen, als wäre sie mitten in einem Tanz erstarrt. Aber Suzuki wusste, dass sie Wäsche aufgehängt hatte, »an dieser Stelle hing immer eine Leine«. Die Hände der Wäscheleine entgegengestreckt, hatte Cho-Cho das Flugzeug gehört und innegehalten, um sich umzudrehen und einen Blick über die Schulter zu werfen, als die Bombe explodiert war.
    Er tritt näher an ihre Silhouette heran, sie ist so klein, ihr Kopf reicht ihm gerade bis zum Herzen. Er steht vor ihr, vor seiner Mutter: Er kann sie sehen, ihre schlanke

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