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Madame de Maintenon

Madame de Maintenon

Titel: Madame de Maintenon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Buckley
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ich Mutter und Vater zugleich sein müssen. Falls Du von etwas Passendem für sie hörst, sei bitte so freundlich, es mich wissen zu lassen … Ich kann absehen, daß ich hier noch einige Jahre sein werde … Bignette wird Dir schreiben. Sie vergißt alles – es ist so heiß hier, und das Essen ist so ungesund … Sie hat keine Freude, das arme Kind, außer Neuigkeiten von Euch zu hören …«
    Louise muß, als sie in der Geborgenheit ihres Château in Mursay diesen Brief las, den Eindruck gewonnen haben, daß der einst so entschlossene Geist ihrer Schwägerin allmählich zermürbt worden war. Cabart de Villermonts Besuch hatte Jeanne offenbar veranlaßt, sich für die berufliche Zukunft ihrer Söhne einzusetzen, aber ihre lustlosen Wendungen – »Falls Du von etwas Passendem für sie hörst, sei bitte so freundlich …« – machen nicht den Eindruck, als habe sie sich sonderlich aktiv um eine Stellung für die beiden bemüht. Es gab keine Neuigkeiten, kein Geld und, ganz plötzlich, anscheinend keine Hoffnung. Nach Monaten eines unbedachten Optimismus überließ sie sich schließlich der Verzweiflung.
    Erst sechzig Jahre später fühlte Françoise sich stark genug, anderen kleinen Mädchen, die so alt waren, wie sie es damals gewesen war, von der hoffnungslosen Zeit zu erzählen, die die Familie während ihrer letzten Wochen auf der
Insel Martinique verbracht hatte. Während Constant nichts merkte und Charles es schaffte, in den Busch oder an den Strand zu entfliehen, hatte Françoise die ganze Last der trostlosen Gemütsverfassung ihrer Mutter zu ertragen. Jeanne zeigte zwar gelegentlich Mitgefühl mit dem »armen Kind«, doch angespannt und isoliert, wie sie war, ließ sie ihre täglichen Frustrationen an der Tochter aus, die sie nicht lieben konnte. Françoise erinnert sich, daß ihre Mutter ihr einmal so grob die Haare bürstete, daß Blut aus ihrer Kopfhaut hervortrat, und sie anschließend zwang, draußen vor der Tür zu stehen und sich der tropischen Insekten zu erwehren, die sich auf die blutende Wunde setzten. So handelt eine Frau, die von Sorgen bedrängt auf das Nächstbeste einschlägt; dennoch war es, wie Françoises Sekretärin eines Tages bemerken sollte, »sehr hart
80 , was sie ihrer Tochter antat«.
    Das Mädchen hatte bereits eine außergewöhnliche Widerstandskraft erkennen lassen, zu der Jeannes starker Wille zweifellos beigetragen hatte. Diese Zähigkeit war ihr angeboren, ebenso wie die Warmherzigkeit und die rasche Auffassungsgabe. Doch Grausamkeit, erst recht von seiten der Mutter, trägt stark zur Ausbildung eines Charakters bei, und vermutlich wurde Françoises Seele während dieser letzten Tage auf Martinique durch die erlittene Grausamkeit gehärtet.
    * *
    Die Rettung kam für sie alle in Gestalt eines Briefes von Constant, geschrieben in der Residenz des Gouverneurs in Basseterre auf der Insel Saint-Christophe. Der Brief scheint sie in Le Prêcheur im Verlauf des Monats Juni 1646 erreicht zu haben. Darüber, warum Constant so lange gebraucht hatte, um sie ausfindig zu machen, kann man nur Vermutungen anstellen. Nachdem er La Rochelle im Dezember 1645 verlassen hatte, traf er vermutlich gegen Ende Februar auf den Inseln ein; die vier Monate dazwischen hätten für ihn ausge
reicht, nach Frankreich und wieder zurück zu segeln – was er möglicherweise auch tat. Denkbar ist auch, daß er die ganze Zeit auf Saint-Christophe weilte und geheime Vorkehrungen traf, um den Engländern das Innere der Insel abzunehmen. Doch selbst dem unzuverlässigen Constant konnte man kaum unterstellen, daß er seine Familie unversorgt auf einer nur 150 Meilen entfernten Insel zurücklassen und sich nicht nach ihr erkundigen würde. Hatte er sich tatsächlich so verhalten, dann hatte ihn vermutlich Cabart de Villermont an seine Pflichten erinnert und ihn, falls er es nicht schon wußte, davon informiert, daß sie sich in Le Prêcheur auf Martinique befanden und auf Nachricht von ihm warteten. Cabart de Villermont war ihm im Mai oder Juni in Basseterre begegnet, wo Constant sich als hochrangiger Gast von Gouverneur de Poincy niedergelassen hatte.
    In Le Prêcheur wurden die Habseligkeiten eingepackt, das Geld zusammengekratzt und eine Überfahrt auf einem Schiff oder Boot nach Saint-Christophe gebucht. Dort trafen sie, wie es scheint, im Juli ein und bezogen – alle vier und wohl auch ihre Diener – Quartier in der geräumigen Residenz des Gouverneurs.
    Für Jeanne war es eine enorme Erleichterung. Zum

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