Madame de Maintenon
einen hatte sie Constant gefunden; es ging ihm gut, und er hatte – zumindest schien es so – Aussichten. Endlich lebten sie auskömmlich, ja mehr als auskömmlich in einem schönen Herrenhaus, auf Schritt und Tritt von Dienern umgeben, mit guten Möbeln und gutem Essen, das täglich auf den Tisch kam, und mit genügend Geld, um jede Rechnung zu bezahlen. Es mochte sich um eine elegante Form von Wohltätigkeit handeln, aber das war einstweilen nicht Jeannes Sorge. Die d'Aubignés waren hier willkommen, Constant und der Gouverneur verstanden sich gut, seine Pläne waren interessant und schienen – zumindest vorläufig – realisierbar zu sein; was aber in den Augen des Gouverneurs am meisten zählte: Er hatte den Segen der allmächtigen Compagnie.
Und Basseterre war entzückend, ein hübsches Städtchen mit modernen Straßen und Plätzen und einem betriebsamen Hafen mit allen modernen Annehmlichkeiten. Jeder, die d'Aubignés ausgenommen, verfügte über Geld, dank der blühenden Tabakpflanzungen auf der Insel. Der Gouverneur war Robert de Longvilliers de Poincy, der zweite aus einer Familie, die über die Jahrhunderte wichtige Beamte in der Karibik stellen sollte. Er war jung, und er genoß das Leben im großzügigen Kolonialstil. Jeder Besucher, der auch nur entfernt von Bedeutung war, wurde sein Gast; jeden Abend gab es eine üppige Mahlzeit, die in seinem schönen Speisezimmer serviert wurde, und darüber, daß dies der Fall war, war niemand glücklicher als der schmeichlerische Constant mit seiner wieder verjüngten Frau. Selbst Cabart de Villermont verbrachte zwei Monate mit ihnen, zierte die gastliche Tafel des Gouverneurs und fügte Jeannes ursprünglichem Gefühl der Erlösung zweifelsohne eine vergnügliche Note hinzu.
Und sie war wie verwandelt: noch immer erst fünfunddreißig und nun wieder reizend und schön, war sie der Star jedes Diners bei Kerzenschein und jedes Frühstücks im Sonnenlicht. Beschwerden über »schlechtes Essen« kamen in ihren Briefen nicht mehr vor; die Tafel des Gouverneurs war ein Synonym für Erlesenheit, und was die örtliche Küche zu bieten hatte, vermochte seinen hohen Ansprüchen durchaus zu genügen. Es gab Geflügel: die vertrauten Hühner, dazu verschiedenerlei Tauben und »zwei oder drei Arten Papageien
81 , vorzüglich als Speise«, und eine »endlose Zahl sonstiger Vögel, die nicht alle den unseren gleichen«. Es gab Fleischgerichte: agoutis, »eine Art Kaninchen«, oder vielleicht acouli, »eine Art Katze, aber sehr gut zu essen«, zart gemacht in Papayasaft oder gewürzt mit Soßen aus Piment oder dem nelkenähnlichen tourt. Es gab Süßwasser- und Salzfisch jeglicher Art, dazu Krabben, Schildkröten, Hai und Seekuh, »welche die Eingeborenen nicht mögen, weil sie viel zu fett
ist, aber Ortsfremde essen sie« (sie war das übliche Mittel gegen Geschlechtskrankheiten). Aus der heimischen Maniokpflanze machte man sowohl Brot als auch Wein. Zu den Gemüsen gehörten der süße Kürbis und die den europäischen d'Aubignés bis dahin unbekannten Kartoffeln, sowohl weiße als auch rote, gekocht oder gebraten. Zum Nachtisch gab es Cashewnuß – »Wir machten einen wirklich köstlichen Wein daraus, sehr gut gegen Magenschmerzen« – sowie ein endloses Angebot an Zitrus- und anderen örtlichen Früchten: Guave, Papaya, Banane – »Wir machten Wein daraus; er schmeckt genau wie Apfelwein« – und Ananas – »Auch daraus machten wir einen sehr guten Wein«. Und für ausgesprochene Schleckermäuler gab es das allgegenwärtige Zuckerrohr – »Davon aßen wir Unmengen; es machte uns dick und hielt uns bei Kräften.«
Sechs Monate lang lebten die d'Aubignés komfortabel in Basseterre, en famille und zum ersten Mal seit Jahren, ja überhaupt zum ersten Mal ohne Sorgen. Es war aber auch das letzte Mal. Am Ende des Jahres segelte Constant erneut nach Frankreich und ließ seine Familie in der Obhut des Gouverneurs de Poincy zurück, der mittlerweile, offen gesagt, genug von ihr hatte. Niemand war sich sicher, warum Constant gegangen war. Noch ungewisser war, wann er zurückkehren würde. Die gesitteten Manieren des Gouverneurs machten einem ausgesprochen groben Ton Platz, als ein Monat nach dem anderen verstrich, als die Regenzeit einsetzte, als von Constant keine Nachricht eintraf, als die Anwesenheit dieser hoffnungslosen adligen Bettlerfamilie, die ihm in seinem stolzen Haus auf der Tasche lag, sich zum ersten Mal jährte.
Jeanne war kein Dummkopf, und auch die Kinder
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