Maddrax - Folge 334: Die Beute des Archivars
ungute Gefühl, betrogen worden zu sein, ließ sich nicht leugnen.
Trotzdem musste er von hier verschwinden. Die Burgbewohner hatten natürlich aus ihrer Deckung heraus beobachtet, was geschehen war; es würde nicht lange dauern, bis sie darauf reagieren würden. Zwar würde man nicht auf ihn schießen, solange er den Gefangenen mit sich trug, doch er wusste ja nicht, über welche Möglichkeiten diese Menschen sonst noch verfügten.
Der Archivar machte kehrt und eilte zur Rampe des Shuttles zurück. Leicht war der Hominide nicht. Die Servomotoren seines Exoskeletts summten in höherer Tonlage, um das Gewicht zu kompensieren.
Der Schockstrahler – ebenfalls ein Artefakt aus dem zeitlosen Raum – versetzte jeden lebenden Organismus in einen Zustand extrem reduzierten Stoffwechsels, in eine Art Winterschlaf also. Und das, ohne ihn zu schädigen, das zentrale Nervensystem zu beeinträchtigen oder gar das Wasser im interzellularen Raum zu kristallisieren. Der Betroffene schlief nur sehr, sehr tief und würde ohne weiteren Einsatz des Schockstrahlers in spätestens zwei Tagen von ganz allein wieder aus diesem Zustand erwachen. Während dieser Zeit waren seine Muskeln angespannt, was ihn erstarren ließ.
Endlich kam der Archivar mit seiner Last beim Shuttle an. Er erklomm die Rampe, schloss das Schott hinter sich und ging zum Heck, wo er den angeblichen Rulfan auf die Medi-Liege bettete.
Inzwischen glaubte er nicht mehr daran, den echten Rulfan gekidnappt zu haben. Schon während des Transports hatte der Anzug, den er trug, immer wieder geflackert – und offenbart, dass sein jetziges Aussehen nur eine Projektion war.
Der Archivar tastete den Körper ab, bis er auf ein Steuergerät stieß, das der Mann am Gürtel trug. Indem er es ausschaltete, veränderte sich sein Erscheinungsbild endgültig.
Kein weißes Langhaar mehr, sondern blondes Kurzhaar. Ein breites, weiches Gesicht mit vorspringendem Kiefer statt einem schmalen, kantigen Gesicht. Keine roten, sondern blaue Augen. Und leicht gebräunte statt weißer Haut. Dazu schien er erheblich jünger zu sein als der Hominide, den der Archivar in Matthew Drax’ Gehirnscan studiert hatte.
Für einen kurzen Moment drohte die Euphorie, die den Archivar bis eben noch beflügelt hatte, in Wut umzuschlagen. Man hatte ihn mit einem technischen Spielzeug überlistet! Ein Mikroprozessor hatte das Bild Rulfans auf diesen speziellen Anzug projiziert und ihn damit genarrt.
Für einen Moment verlor er nun doch die Kontrolle über sich. Er packte das Steuergerät, riss es dem Fremden vom Gürtel und schleuderte es gegen die Wand. Es zersplitterte in tausend Teile. Das berstende Geräusch holte ihn aus seinem Wutanfall zurück – und er verfluchte sein unbedachtes Handeln. Vielleicht hätte er den Anzug nach einigen Umbauten für sich selbst nutzen können. Nun war er wertlos.
Nicht zum ersten Mal wurde ihm die Gefahr bewusst, die in der Verwendung des Schlangengiftserums lag: Neben der belebenden Wirkung vermochte es seine Urteilskraft zu beeinträchtigen und förderte seine niederen Instinkte. Er musste sich besser unter Kontrolle halten!
Der Archivar blickte auf den reglosen Körper vor sich auf der Pritsche. Wer war der Kerl? Ein Vertrauter Rulfans? Dann wusste er vielleicht auch von dem Superior Magtron, kannte gar das Versteck des Artefakts. Noch war nichts verloren; noch lange nicht!
Bei genauerem Hinsehen erschienen ihm der Fehlschlag und der daraus entstandene Schaden gar nicht mehr ganz so groß. Immerhin hatte er jetzt eine Geisel in seiner Gewalt. Und falls ein Gehirnscan keine neuen Informationen erbrachte, konnte er seine Forderungen noch immer damit durchsetzen, dass er mit der Tötung des Individuums drohte.
Ein akustischer Alarm riss den Archivar aus seinen Überlegungen. Gleichzeitig lief ein leichtes Vibrieren durch das Schiff. Er durcheilte den Laderaum und bückte sich ins Cockpit hinein, ließ seinen Blick über die Kontrollarmaturen wandern.
Ein Kontaktalarm! Etwas beschädigte die Außenhülle!
Der Archivar ließ sich in den Pilotensitz sinken und analysierte den Schaden. Es handelte sich um einen Laserbeschuss, und das Ziel war die vordere Landestütze des Shuttles! Wenn sie einbrach, konnte das den Startvorgang beeinträchtigen!
Der Archivar handelte ohne Verzögerung. Seine langen klauenartigen Finger flogen über sämtliche Tastaturen und Schaltfelder.
„Was hast du da gerade gesagt?“ Aruula war hellwach, jede Faser ihres Leibes angespannt.
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