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Anwalt?” Wir anderen Kinder waren total geschockt – und unsere Väter auch!
„Die wollen was machen?”
„Keine Ahnung, ich hab ‘reden’ verstanden! Aber das kann ja nicht sein!”
„Was ist das: ‘reden’? Ist das so was wie Folter?”
„Na ja”, habe ich mir gedacht, „man kann ja mal was Neues probieren”, und ich zog meinen Vater am Ärmel und sagte: „Papa, wir müssen reden!” Seine Antwort hätte ich mir auch denken können: „Ich geb dir gleich reden!”
Alles in allem war ich aber sehr zufrieden mit meinen Eltern. Ich lebte gern mit ihnen zusammen. Mit beiden. Gleichzeitig. Das muss man den jungen Leuten heute erklären: Früher kam es vor, dass Eltern zusammenlebten, in ein und demselben Haus! So wie es ursprünglich mal gedacht war.
Nicht umsonst gibt es vom Wort „Eltern” keinen Singular. Ich finde es wichtig, mit beiden Elternteilen aufzuwachsen. Ich kenne Menschen, die nur beim Vater aufwuchsen – denen fehlt was: Die wissen nicht, dass man Socken auch wechseln kann. Dafür kennen sie die Namen sämtlicher Ersatztorhüter von Eintracht Braunschweig seit 1966 auswendig und können zur Not mit einer Tiefkühlpizza und einem Kasten Bier vier Wochen lang überleben.
Und diejenigen Kumpels, die nur von ihrer Mutter erzogen wurden, haben auch einen an der Waffel: Die können zwar tolle Salatsoßen machen und Spannbettlaken falten, aber wenn sie eine Glühbirne auswechseln müssen, rufen sie vorsichtshalber erst mal beim Technischen Hilfswerk an.
Meine Eltern haben es verhältnismäßig richtig gemacht. Sie haben sich zwar auch getrennt, aber erst, als mein Bruder und ich die wichtigsten Lebensgrundlagen bereits begriffen hatten. Meine Eltern sind keine Ausnahme. Scheidung ist bei Türken total in. Seit 2005 ist laut türkischem Familiengericht die Scheidungsrate um 40 Prozent gestiegen. 40 Prozent! Davon können die meisten DAX-Unternehmen nur träumen!
Ich habe aus der Geschichte meiner Eltern gelernt. Im Guten wie im Schlechten. Die guten Dinge will ich übernehmen, und die schlechten vermeiden.
Darum ist für mich Scheidung absolut kein Thema – zumindest solange ich noch ledig bin!
KAPITEL 2
Schule
Schule ist ein bisschen wie Akne – jeder Jugendliche hat damit zu tun, und jeder ist froh, wenn es endlich vorbei ist. Ich kenne Menschen, die sind so ungern zur Schule gegangen, dass für sie TV-Serien wie Unser Lehrer Doktor Specht unter die Kategorie „Horrorfilm” fallen. Andere vergleichen Schule eher mit dem Gefangenenlager Guantanamo – nur, dass bei der Schule die UN leider nicht die sofortige Schließung fordert! Aber die Szenen sind ähnlich – sobald der Lehrer sagt: „Hefte raus! Vokabeltest!”, bricht der erste Schüler schreiend zusammen: „Nicht weitermachen! Ich gebe alles zu – ich bin die Maschine geflogen!”
Deutschland ist ein freies Land. Niemand wird gezwungen, am Nationalfeiertag bunte Troddeln schwenkend über einen großen Platz zu marschieren. Niemand muss angsterfüllt flüstern, wenn er Schlechtes über die Bundeskanzlerin sagt – mit Ausnahme von Joachim Sauer, dem Ehemann der Bundeskanzlerin. Man kann sich den Fußballverein aussuchen, die Religion, ja sogar das Geschlecht. Aber man kann sich nicht alles aussuchen: In Deutschland herrscht Schulpflicht! Ob man will oder nicht – jeder muss zur Schule gehen. Und das ist auch gut so, denn wo sollte man mit den vielen ungebildeten jungen Menschen hin? So viele Casting Shows kann es gar nicht geben!
Also verbringen die jungen Deutschen den Großteil ihrer Jugend in der Schule. Sie sollen dort fürs Leben lernen. Und da muss ich meinem Kumpel Hakan Recht geben, der immer sagt:
Für viele Kinder ist die Vorstellung, in die Schule gehen zu müssen, eine einzige Quälerei. Ich war da anders: Ich habe mich schon als Kindergartenkind auf die Schule gefreut. Ich habe schon im Alter von fünf Jahren mit meinen Star Wars -Figuren „Schule” nachgespielt: Auf dem Schulhof meiner Fantasie haben Han Solo, R2-D2, Obi Wan-Kenobi und ich Gummitwist gespielt. Ich habe mit Yoda heimlich hinter der Turnhalle meine erste Zigarette geraucht, und ich habe Prinzessin Leia an den Haaren gezogen – schließlich sind auch Prinzessinnen nichts weiter als besser angezogene Mädchen. Luke Skywalker war mein Klassenlehrer, und Darth Vader ging für mich zum Elternabend und röchelte: „Ich bin Kayas Vater, Luke!”
Ich konnte es gar nicht abwarten, zur Schule zu gehen. Ich hätte gerne wie ein
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