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lernen”.
Nach der Grundschule stellten meine Eltern sich die Frage: Auf welche Schule sollen wir den Jungen schicken? Realschule? Gymnasium? Gesamtschule? Oder – wie ich vorgeschlagen hatte – Mädcheninternat? (Brüste waren mittlerweile interessanter geworden als Playmobil-Ritter.)
Es dauerte über 20 Jahre, bis ich kapierte, dass die Menschen über mich lachen – und nicht über mein T-Shirt
Meine Eltern überlegten hin und her. Und taten sich schwer. Die Auswahl an verschiedenen Schulformen überforderte sie. Zu Hause in der Türkei hatte es nur zwei Möglichkeiten gegeben: Dorfschule oder Dorfdepp.
Aber meine Eltern waren offen für neue Wege. Mein Vater ging mit mir sogar zu einem Informationsnachmittag der Waldorfschule. Es war … interessant! Nachdem zwei in unförmigen Strickwaren gefangene Menschen – vermutlich waren es Frauen, und vermutlich waren sie die Lehrerinnen – die pädagogischen Grundlagen der Schule in ein Stück Holz geschnitzt hatten, sollte mein Vater seinen Namen vortanzen. Das Ergebnis sah selbst für mich nicht nach „Guten Tag, mein Name ist Edip Yanar” aus, sondern eher nach „Wenn ihr Arschköpfe mich auf den Arm nehmen wollt, dann müsst ihr schon früher aufstehen”. Mein Vater nahm mich an der Hand, umarmte noch schnell einen Baum und sagte ihm: „Buche, glaubst du mir – der Junge kommt aufs Gymnasium!”
So kam ich 1983 ins Heinrich-von Gagern-Gymnasium in Frankfurt, und wenn ich damals schon gewusst hätte, was mich dort erwartete, dann hätte ich mich sofort für die Hauptschule entschieden – für eine Karriere als Fernsehstar hätte das allemal gereicht!
Auf dem Gymnasium hatte ich es richtig schwer, denn ich läutete eine neue Phase in meinem Leben ein. Bis dahin war mir das Lernen sehr leichtgefallen, und ich hatte in der Grundschule immer ordentliche Ergebnisse erzielen können, sieht man mal von dem Topflappen
ab, den ich in der zweiten Klasse gehäkelt hatte und den meine Mutter Weihnachten laut lachend aus dem Fenster warf. Die Lehrer waren zufrieden mit mir, ich selbst war zufrieden mit mir – doch auf meinem ersten Gymnasialzeugnis stand statt einer Drei in Rechnen eine Fünf in Mathematik!
Ich war schlecht geworden! Verdammt schlecht!
Das lag zum einen daran, dass es Dinge gab, die meine Aufmerksamkeit mehr fesselten als Rechenaufgaben: Die Mädchen in der Klasse waren in meinen Augen plötzlich nicht mehr doofe, zickige Hühner, sondern doofe, zickige, aber verdammt scharfe Hühner!
Zum anderen hatte ich Probleme mit den damals schwer angesagten Textaufgaben: Sie wollten Praxisnähe vorgaukeln und den Eindruck erwecken, man lerne fürs Leben. Statt der klaren, unmissverständlichen Rechenaufgabe „(4 + 3) x 2”, wie ich sie in der Grundschule gestellt bekommen hätte, hieß es nun: „Drei Bauarbeiter stehen auf einem Baugerüst und arbeiten.”
Das war schon mal totaler Schwachsinn. „Drei Bauarbeiter sitzen auf einem Baugerüst und pfeifen einem Mädchen hinterher” hätte ich ja noch verstanden. Aber arbeiten ? Völliger Quatsch! Es ging genauso realitätsfern weiter: „Vier weitere Bauarbeiter kommen dazu.”
Drei plus vier … sieben Bauarbeiter? Auf einer Baustelle? Schon mal was von „Überbesetzung” gehört? Und was würde als Nächstes für ein unrealistischer Quatsch kommen? Vielleicht „Alle sieben Bauarbeiter arbeiten auf Lohnsteuerkarte”?
Das mit der Lohnsteuerkarte kam nicht, aber der Schwachsinn näherte sich trotzdem seinem Höhepunkt: „Jeder der Bauarbeiter trinkt in der Mittagspause
zwei Becher Kaffee – wie viele Becher Kaffee trinken sie insgesamt?”
Ich war immer gut im Kopfrechnen, also zeigte ich auf und sagte: „14 Flaschen Bier!”
Das fand meine Lehrerin weniger lustig. Und ich will es nicht ausschließlich am mangelnden Humor meiner Lehrerin festmachen, aber mit Sicherheit hat dieses Humordefizit zu meinen schlechten Mathematikzensuren beigetragen.
Ein weiterer Grund für mein schlechtes Abschneiden waren meine Mitschüler, denn die waren leider genauso doof wie ich! Obwohl schlechte Leistungen nicht automatisch bedeuten, dass man doof ist! Es kann sein, dass man lernunwillig ist, oder ein bisschen faul, oder es interessiert einen nicht, oder man kann sich nicht konzentrieren … ich war wahrscheinlich der einzige Schüler in ganz Hessen, auf den alle Erklärungen gleichzeitig zutrafen!
Der Ranzencheck:
Inhalt von Kayas Ranzen: Mäppchen, Lineal, Hefte, Brotdose
Inhalt von Francescos
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