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Made in Germany

Made in Germany

Titel: Made in Germany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaya Yanar
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quatscht und trinkt mit seinen Kumpels. Plötzlich kommt eine junge Frau vorbei, die Jürgens Beuteschema entspricht: groß, schlank, süß. Jürgen reißt den Kopf herum, wendet seinen Checker-Blick an und friert im Moment der ersten Faszination für immer ein. Er wirkt wie ein im falschen Moment gestopptes Standbild aus einer romantischen Komödie mit Hugh Grant. Der Körper ist leicht nach vorn gebeugt, und Jürgen kann froh sein, dass er nicht noch ein paar Grad weiter nach vorn gebeugt ist, sonst würde er nämlich einfach umfallen!
    Das Glas ist noch zum Mund geführt, der Mund steht halb offen, aber der Drink läuft ihm am Hals herab in den Ausschnitt seines T-Shirts. Nach ungefähr zwei Minuten fällt Jürgen dann doch um, denn seine Atmung hat ausgesetzt, und er wird schlicht und ergreifend ohnmächtig. Die Sanitäterin vom Johanniterbund, die ihn mit Mund-zu-Mund-Beatmung wieder ins Leben zurückholt, entspricht nicht mehr so ganz Jürgens Beuteschema: klein, dick, herb. Und die ganze Disco schaut
grinsend dabei zu, wie der leichenblasse Jürgen auf den Armen der bärenstarken medizinischen Fachkraft aus dem Tanzlokal getragen wird. Unauffälliges Abchecken geht definitiv anders!
    Andere Jungs wenden den sogenannten Terminator-Blick an. Der ist zwar etwas cooler als der Checker-Blick, aber auch nicht weniger auffällig. Alle Welt regt sich über die Nacktscanner bei den Flughafenkontrollen auf, dabei ist Nacktscannen in Discotheken schon seit Jahren ganz normaler Alltag. Zumindest in den Köpfen der Jungs, die den Terminator-Blick draufhaben: Der Terminator-Blick führt dem Betrachter alle relevanten Daten direkt vor das innere Auge. Die Frau kommt vorbei, der Kerl bemerkt sie, und in Sekundenbruchteilen scannt der Terminator-Blick sie von oben bis unten:

    Natürlich sind die Frauen nicht doof. Sie bemerken diesen unangenehmen, indiskreten Blick sofort und schauen genauso indiskret zurück:

    Ich hoffe, dass meine Blicke nicht ganz so plump sind, und dass nicht die komplette Disco meine Gedanken lesen kann. Ich versuche, die geheime Botschaft meiner Blicke nur derjenigen Adressatin zukommen zu lassen, für die sie bestimmt ist. Ich stehe dann am Rande der Tanzfläche, schaue den Mädels dabei zu, wie sie selig und allein vor sich hin tanzen, und wenn mir eine besonders gut gefällt, dann gucke ich sie so lange an, bis sie mich bemerkt. Das kann schon mal etwas länger dauern, denn ich habe Zeit. Manchmal wird es aber auch mir zu bunt. Ich habe schon junge Frauen angeguckt, die mich so spät bemerkt haben, dass sie mir in der Zwischenzeit zu alt geworden waren!
    Die andere Gefahr ist, dass die Auserwählte zwar allein tanzt , aber gar nicht allein ist – es kann sogar sein, dass ihr türkischer Macker direkt neben mir steht. Und wenn ich Pech habe, ist dieser Macker Bodybuilder, gewaltbereit und einen Kopf größer als ich. Mir ist das einmal passiert. Ich habe mich auf eine wunderschöne Türkin konzentriert, und mir lief das Wasser schon im
Mund zusammen, als ich plötzlich von der Seite angequatscht wurde: „Ey, hast du meine Frau angeguckt? Ich mach dich platt!”
    Sofort gingen bei mir die Alarmsirenen an: „Nein! Nein! Um Gottes willen! Ich habe sie nicht angeguckt!”
    „Ich habe sie nicht angeguckt” – ein Satz mit einer eindeutigen Botschaft: Du bist stärker als ich. Du bist größer als ich. Ich möchte keinen Konflikt. Ich ziehe mich zurück. Eine Botschaft, die fast jeder auf Anhieb versteht. Nur der Typ in der Disco verstand sie nicht.
    „Ey, willst du sagen, meine Frau ist hässlich oder was? Ich mach dich platt!”
    Du bist stärker als ich. Du bist größer als ich. Ich möchte keinen Konflikt. Ich ziehe mich zurück. Zweiter Versuch: „Das habe ich nicht gesagt ... ich habe nur gesagt: Ich habe sie nicht angeguckt !”
    Vielleicht wollte er die Botschaft auch gar nicht verstehen.
    „Bist du schwul oder was? Ich stecke deinen Arsch in deinen Arsch!”
    Mir war klar: Aus der Nummer kam ich nicht mehr raus. Dann aber habe ich mir gesagt: Wenn ich schon verprügelt werden muss, dann soll es sich wenigstens lohnen!
    Ich sagte: „Nein, ich bin nicht schwul, aber wenn ich mir deine Freundin genau anschaue, überlege ich mir es noch mal!”
    Einmal habe ich in der gleichen Situation eine andere Taktik angewendet und als Ausrede gesagt: „Ja, du hast Recht – ich bin schwul!” Das war ein Fehler, denn der Typ war auch schwul. Die Frau, wegen der er sich mit mir prügeln wollte, war

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