Made in Germany
Gebetskette!
Und trotzdem fahren alle drei Millionen Türken, die in Deutschland leben, jeden Sommer in die Türkei! Im Sommer ist Deutschland komplett türkenfrei. Dann gibt es in Berlin-Kreuzberg mehr freie Parkplätze als Einwohner. Wer im August versucht, in Deutschland einen frischen Döner zu bekommen, hat keine Chance. Und von türkischen Teestubenbesitzern werden im
Sommer deutsche Studenten angeheuert, die sich einen Schnurrbart ankleben und den ganzen Tag Karten spielen müssen, damit der Vermieter nicht stutzig wird!
Urlaubsziele der Türken
Türken verbringen die Ferien also in der Heimat. Das ist auch das Einfachste, wenn man nur einen türkischen Pass hat. Die Deutschen haben es gut mit ihrem deutschen Reisepass: Der ist international anerkannt! Deutsche brauchen für kaum ein Land ein Visum. Sie können einfach in den Flieger steigen. Ich kenne die andere Seite: Ich hatte früher einen türkischen Ausweis. Ich brauchte für fast jedes Land ein Visum. Ohne Visum kam ich noch nicht mal ins Fantasia-Land!
Also bleibt den Türken nur die Türkei. Und was machen die Deutschen? Die fahren einfach mit! Das finden wir Türken natürlich klasse. Wenn wir schon nicht in die EU kommen, dann kommt der Euro wenigstens zu uns!
Die Deutschen machen natürlich nicht dort Urlaub, wo die turnschuhgroßen Kakerlaken wohnen, sondern schön gediegen an der Südküste: Alanya, Antalya, Fethiye. Und man erkennt sofort, wo die Deutschen sind – und zwar an den Liegestühlen! Wenn es eine Weltmeisterschaft im Liegestuhlbesetzen gäbe, wäre Deutschland Weltmeister! Neun von zehn Liegestühlen sind deutsch! Die Engländer und Holländer haben überhaupt keine Chance. Denn Liegestuhlbesetzen erfordert eine Cleverness, die offensichtlich bei Deutschen mehr ausgeprägt ist als anderswo. Und das ganz unabhängig vom Lebensalter. Selbst steinalte Deutsche, die sonst gar nichts mehr auf die Reihe bekommen, besetzen ihren Liegestuhl! Und das ganz ohne körperliche Gewalt, Korruption oder Schusswaffengebrauch. Sie stehen einfach früher auf als alle anderen: um fünf Uhr morgens! Diese Uhrzeit gibt es in der Türkei gar nicht! In der ganzen Türkei gibt es keinen Hahn, der um die Uhrzeit aufsteht und kräht: „Kükürükü!”
Aber Ingeborg und Herbert stehen so früh auf. Ingeborg und Herbert sind ein deutsches Rentnerehepaar. Antalya, 5.07 Uhr: Die ersten Sonnenstrahlen kämpfen sich über die Horizontlinie, da hört man einen aufgeregten, fast enthusiastischen Aufschrei: „Herbert! Komm mal! Da sind Liegestühle! Herbert!”
„Ingeborg, ich komme!”
Und Herbert kommt. Es dauert, aber er kommt. Als er endlich da ist, fährt Ingeborg fort: „Herbert, guck
mal da! Die Liegestühle, die sind alle frei, wir nehmen die zwei!”
Und Herbert markiert das Territorium – mit zwei schwarz-rot-goldenen Handtüchern! Wir ahnen: Wenn Hitler 1939 ein riesengroßes Handtuch gehabt hätte, um es über Polen zu legen, wäre der Krieg vielleicht schon viel früher zu Ende gewesen!
„So, Ingeborg, die sind jetzt unsere! Für immer!”
Wenn die Liegestühle einmal reserviert sind, legen sich Herbert und Ingeborg wieder ins Bett. Um acht Uhr wird gefrühstückt, dann gehen sie in die Stadt, lassen sich Krempel andrehen, den sie nicht brauchen (Backgammonbretter, Teegläser und eine Musikkassette, auf der Osman Dingenskirchen „Nirvana” auf der Sitar spielt) und kommen dann um 15 Uhr erstmals zum Strand, um sich auf ihre beiden freien Liegen zu legen. Das nenne ich clever! Und es funktionierte jahrzehntelang völlig problemlos! Aber seit fünf Jahren kommt ein anderes, genauso cleveres Volk an die türkische Südküste: die Russen!
Das Dumme ist: Die Russen spielen das deutsche Liegestühlebesetzen-Spiel nicht mit! Die kennen das gar nicht. Die stehen auch nicht um fünf Uhr auf – die gehen um fünf Uhr ins Bett! Dann stehen sie erst wieder nachmittags auf und torkeln mit erheblichem Restalkohol im Schädel in Richtung Liegestühle.
„Dimitri, schau mal!”
„Was ist, Igor?”
„Was für ein toller Service! Sie haben extra für uns kuschelige Handtücher auf die Liegen getan!”
Dimitri und Igor legen sich also mit ihren wodkaschweren Köpfen auf die beiden Liegestühle und beginnen, kyrillische SMS in ihre goldenen Handys zu
hämmern. In dem Moment kommen Ingeborg und Herbert aus der Stadt zurück.
„Herbert guck mal! Die Männer da! Unverschämtheit, das sind unsere Liegestühle, Herbert!!!”
Aber Herbert hört seine
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