Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon
Antwort.
Damals arbeitete Ove mal als Bote für einen Gemüsehändler, mal als Liftboy im Vesterport-Bahnhof oder als Fahrradkurier und Buchbinder. Hauptsächlich arbeitete er im Büro. In den sieben Jahren als Büroangestellter kam er weit herum, unter anderem bis zum Chemieunternehmen Nordisk Droge und Kemikalie AG auf dem Sankt Annä Platz. Wenn er später von der Firma sprach, zog er das Wort Nordisk Droooooge immer in die Länge. Als wäre es etwas ganz Feines und gleichzeitig Lächerliches. Vielleicht fand er das Wort aber auch einfach nur komisch.
Die Armee musterte Ove Sprogøe aus, weil er Plattfüße hatte. Dafür erhielt er 1938, ein Jahr vor dem Zweiten Weltkrieg und zwei Jahre vor der deutschen Besetzung Dänemarks, in der Seeminen-Behörde seine längste Anstellung. Als Bürogehilfe führte er Buch über den Verbrauch von Kabeln und ähnlichem. Auch ein anderer angehender Schauspieler arbeitete dort, Gabriel Axel. Er versah seinen Dienst als Matrose in der Kriegsmarine und war danach Minenmechaniker. Sehr viel später wurde Gabriel Axel ein berühmter Regisseur, der für »Babettes Fest« einen Oscar erhielt.
An Ove Sprogøe hat er die besten Erinnerungen: »Ove erledigte alles, welchen Auftrag man ihm auch gab, und immer strahlte er wie die Sonne. Ich weiß noch, dass ich dachte, dieser Mann wird 150. Alles schien an ihm abzuprallen. Er war der Büro-Clown und hatte außerdem schon damals ein feines Gespür für das Humoristische.«
Dass Ove in blauem Matrosenanzug mit Kragen und drei weißen Streifen Gabriel Axel zu grüßen hatte, als der zum Offizier aufgestiegen war, war ein Leben lang ihr running gag.
Beide träumten davon, Schauspieler zu werden, und während sie ihre Ausbildung in Bajonett, Fechten und Schießen absolvierten, beratschlagten sie, wie das am besten anzustellen sei. Ove Sprogøe riet Gabriel Axel, mit einem seiner Freunde zu sprechen, Bjørn Watt-Boolsen, der bereits an der Nachwuchsschule des Nationalthea-ters, Det Kongelige Teater, war. Dorthin kam Gabriel Axel auch, allerdings in den Zug für »nordische Elemente«, weil er in Frankreich aufgewachsen war. Das war die Abteilung für Schüler, die nicht Dänisch sprechen konnten und sich damit begnügen mussten, dem Unterricht passiv zu folgen. Auch für Ove lief es nicht glatt: »Sechs oder sieben Jahre saß ich im Büro. Ich wollte unbedingt Theater spielen, aber das war wie der legendäre Schatz auf der anderen Seite des Regenbogens.«
Noch vor Kriegsausbruch unternahm Ove die ersten zaghaften Schritte in Richtung Schauspielerei. Anfang 1939 besuchte er Connie Claire alias Clara Müller, die in Pustervig eine kleine Schule für theaterbesessene Jungen hatte. Er handelte eine Bezahlung von fünf Kronen im Monat aus. Über diesen bescheidenen Betrag hinaus verlangte Connie Claire von ihren Schülern, dass sie ihr Heizmaterial mitbrachten und selbst für ihren Tee, ihr Brot und ihre Butter während des Unterrichts sorgten. Anders ging es wohl auch nicht in der Zeit der Lebensmittelmarken. Sie war eine exzentrische Dame, über die man sich zuflüsterte, sie sei die Halbschwester der berühmten Schauspielerin Betty Nansen.
Meist fand der Unterricht bei Connie Claire zu Hause statt, wo es nach Katzenpisse stank. Sie selbst thronte in eine Decke gehüllt auf einem Stuhl mitten im Zimmer. Ab und zu führten die Schüler kleine Stücke in einem nahegelegenen Theatersaal auf. Connie Claire inspirierte ihre Schüler, und die brannten für das Theater, auch wenn sie es später nicht zu ihrem Beruf machten. Ove Sprogøe tanzte und spielte nach allen Regeln der Kunst, und zum ersten Mal spürte er, dass er ein Teil der Theaterwelt sein könnte. Auf einmal kannte er eine richtige Schauspielerin, er studierte Rollen ein, er lernte die großen Dichter kennen. Er war glücklich. Leider dauerte dieser Zustand nur ein Jahr. Connie Claire hatte schon früher in New York gewohnt, und zu Oves großer Verzweiflung kehrte sie nun dorthin zurück. Aber auch in New York hatte sie keinen Erfolg. Völlig verarmt starb sie nur wenige Jahre später.
Als Dänemark im April 1940 besetzt wurde, blieben die dänischen Behörden im Zuge der »defensiven Zusammenarbeit« in ihren Büros, damit die Deutschen diese nicht übernahmen. Wegen des Krieges ruhte allerdings die Arbeit, und die Angestellten spielten die meiste Zeit ironischerweise »Schiffe versenken«. Ove nutzte die Arbeitsstunden, um an seiner Ausbildung zum Schauspieler zu arbeiten – alles
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