Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon
Die Sofas wurden von den Wänden gezogen und die Kinder dahinter platziert. Dort konnten sie spielen, vorn am Tisch saßen die Erwachsenen. Es wurde immer um Geld gespielt, was die Stimmung noch mehr aufheizte.
Die Finanzen waren auskömmlich. Oves Vater arbeitete als Schriftsetzer in der Buchdruckerei von Poul Söndergaard in der Vestergade 67 in der Nähe von Brandts Kleiderfabrik. Mit der Zeit brachte er es zum Vorarbeiter. Jeden Tag kam er pünktlich um zwölf Uhr zum Mittagbrot nach Hause. Weil seine Pause nicht sehr lang war, stand das Essen bereits auf dem Tisch, wenn er an der Tür klingelte. Am Nachmittag durfte Ove hin und wieder seinen Vater begleiten.
Ove war neugierig. Deshalb bekam er den Spitznamen »Krabbe«. Er liebte es, den Druckern bei der Arbeit zuzuschauen, und staunte darüber, dass der Vater die Buchstaben aus den Setzkästen spiegelverkehrt auf große Platten setzte und diese dann in den Büchern richtigherum standen. Die Kollegen des Vaters erlebten Ove als pfiffigen kleinen Kerl, schlagfertig und voller Streiche. Der Junge war verrückt nach Filmbildern aus Zigarettenschachteln und zeigte sie voller Stolz in der Druckerei herum. Freitag war Zahltag. Da brachte der Vater oft Lakritze für die Kinder mit – wenn er nach Hause kam. Wenn nicht, ging Inger zu ihm, um das Haushaltsgeld zu holen.
Obwohl Schwester Inger fünf Jahre älter war als Ove, standen sie einander sehr nahe und spielten gemeinsam auf den Wiesen von Odense. Inger mit ihrem bescheidenen Wesen und ihrer Wärme war immer für andere da und ohne jeden Eigennutz. Ove war seiner Schwester nicht unähnlich, nur mit der Ruhe haperte es bei ihm.
Das enge Verhältnis zu seiner Schwester hielt ihr ganzes Leben. Sie war eine stille Dame mit dem typisch spitzen Sprogøeschen Gesicht, steckte sich eine Zigarette nach der anderen an und verbrachte lange Arbeitstage im Unterwäschegeschäft »Liberty«. Das Geschäft gehörte ihr nicht, sie war einfach nur immer da, und wenn sie nicht hinterm Ladentisch stand, reparierte sie im hinteren Raum Korsetts. Mit einem Mann oder einem Freund sah die Familie sie nie. Sie blieb eine alte Jungfer. Als sie ihr 25-jähriges Betriebsjubiläum feierte, schlug Ove ans Glas und sagte: »Wie seltsam eigentlich, dass du ein Unterwäschegeschäft führst, das ›Freiheit‹ heißt – und Korsetts verkaufst!« Nach 49 Jahren hörte Inger im Geschäft auf. Um ihr 50. Jubiläum sollte man kein Aufheben machen.
Ihr ganzes Leben wohnte sie bei den Eltern. In all den Jahren besuchten die drei jeden Sonntagvormittag Oves Familie. Bei ihrer Beerdigung 1988 nannte Ove seine große Schwester den »prächtigsten Menschen auf der ganzen Welt«.
Nicht ganz so innig war Oves Beziehung zu seinem großen Bruder Arthur. Obwohl Ove und Arthur sich äußerlich ähnelten, zeigten sich mit den Jahren immer mehr ihre unterschiedlichen Temperamente. Arthur war ein vorsichtiger Junge, der schließlich in die Fußstapfen des Vaters trat und Drucker wurde. Der Altersunterschied von zwölf Jahren half sicher nicht, die Distanz zu überbrücken. Dennoch wollte Ove seinem großen Bruder immer gern behilflich sein, allerdings nicht nur aus Bewunderung für den Älteren. Eine Zeit lang verdiente er sich ein hübsches Sümmchen als Bote glühender Liebesbriefe zwischen Arthur und seiner Verlobten Else. Ove fand zwar, dass die beiden irgendwie nicht ganz richtig im Kopf waren, aber die Kasse stimmte.
Vater Arthur war ein redlicher und freundlicher Mann. Mit gepflegtem Oberlippenbart, Weste, Taschenuhr und Melone war er ein gebildeter und unauffälliger Vertreter der Arbeiterklasse. Er hatte Mut und stand zu seiner Meinung. Als die Gewerkschaften zu Beginn des vorigen Jahrhunderts an Boden gewannen, wurde der junge Arthur Sprogøe Petersen, der den Ruf hatte, fleißig und pflichtbewusst zu sein, zu einem ernsten Gespräch in das Büro des Druckereibesitzers Söndergaard gerufen. »Das geht hier jetzt mit diesem Gewerkschaftszeug los. Ich wünsche, dass Sie den Leuten sagen, dass sie sich nicht zur Gewerkschaft melden. Und wenn doch, müssen Sie mir sagen, wer es getan hat«, sagte der Eigentümer. Doch Arthur hatte seine Wahl bereits getroffen und antwortete: »Ja, dann muss ich Ihnen jetzt sagen, dass ich selbst Mitglied geworden bin.«
Diese Anekdote ist repräsentativ für Oves Selbstverständnis und seinen späteren politischen Standpunkt. Sprogøe bezog sich auf diese Geschichte, wenn er begründen sollte, woher seine eigene
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