Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon
einer der Menschen, die sein frühes Interesse am Theater geweckt haben. Dazu trug der Lehrer mit seiner Unterrichtsgestaltung bei: »Wir waren im Jahr 1849 der dänischen Geschichte angelangt. Das heißt, die Zeit der großen Genossenschaften, die Einführung des Grundgesetzes und der große Studentenaufstand. Um Leben in den vielleicht etwas trockenen Stoff zu bringen, schlug ich vor, dass wir ein Stück daraus machen sollten. Ove bekam die Rolle eines revolutionären Studenten, und ich erinnere mich noch ganz genau, wie er wie wild auf seinen Stuhl sprang und in die Klasse donnerte: ›Dänische Studenten! Das heilige Feuer der Freiheit schwelt in den Ländern Europas. Merkt Ihr das nicht, Ihr Haufen von Transusen und Taugenichtsen?!‹«, erzählte Scherling Jensen. Darauf ergänzte Ove auf eigene Faust: »Ach, das werden wir alle noch früh genug … «
Zu Mädchen nahm Ove nur zögernd Kontakt auf. Er war sehr schüchtern. Zwar suchte er die schönsten Mädchen aus, aber seine draufgängerischen Kameraden waren meistens schneller. Seine Schüchternheit war für andere Jungen ein gefundenes Fessen. Als er einmal bei einem Schulball Barkeeper war, trommelten ein paar Witzbolde eine ganze Schar von Mädchen zusammen und schickten sie zum Tresen, um Ove schöne Augen zu machen. Der wurde so rot wie die Brause, die er ausschenkte.
Mit 16 kam er in die Realschule in der Raadmandsgade im Stadtteil Nörrebro. Die Lehrer wollten, dass er seine Ausbildung nach dem ersten Jahr fortsetzte, aber Ove hatte keine Lust mehr, zur Schule zu gehen, so dass er auf Vorschlag seines Vaters eine Schriftsetzerlehre begann. Als Erstes musste er dort heizen. Das hieß, Koks aus dem Keller holen und dann hinauf in die Wohnung des Buchdruckers im fünften Stock schleppen. Ove sträubte sich, doch seine Familie ließ nicht locker. Und was die Eltern sagten, tat man auch. Nicht lange nachdem er seine Lehre begonnen hatte, bekam die Frau eines der Angestellten Tuberkulose und musste zum Röntgen. Ove war neugierig und begleitete sie zur Untersuchung. Ehe er es sich versah, hatten die Ärzte auch eine Röntgenaufnahme von ihm gemacht und meinten, einen Schatten auf seiner Lunge zu erkennen. Ein halbes Jahr Sanatorium, lautete das Urteil. Antibiotika und Schutzimpfungen kamen erst nach dem Zweiten Weltkrieg richtig zur Anwendung, es führte also kein Weg um die sechs Monate lange Behandlung mit den Mitteln der damaligen Medizin.
Da das Faksinge-Sanatorium etwa 70 Kilometer von Vanløse entfernt lag, konnte die Familie nicht jeden Tag zu Besuch kommen. Im Krankenhaus experimentierten die Ärzte, indem sie das Blut der Patienten in weiße Mäuse spritzten. Die Maus mit Oves Blut starb, doch als die Eltern nach den Ergebnissen fragten, log Ove, er habe noch nichts erfahren. Er wollte nicht, dass sie sich Sorgen um ihn machten, zumal sie kurz vor einer Urlaubsreise standen. Erst später wurde ihm bewusst, was um ihn herum geschah: »Wir lagen in einer Bettenhalle an der frischen Luft, und jeden Tag fehlte einer von uns. Das war alles sehr ernst, aber so ganz haben wir es nicht verstanden. Wir stellten lediglich fest, jetzt war der und der weg. Wir müssen sehr naiv gewesen sein, ich zumindest begriff überhaupt nichts.«
Glücklicherweise wurde der Tuberkulosealarm für Ove nach nur drei Monaten Behandlung abgeblasen, er konnte wieder nach Hause nach Kopenhagen. Der Anfall war sehr leicht gewesen, und Ove hätte nun eigentlich in die Druckerei zurückkehren sollen, doch die Eltern entschieden, dass die Bleidämpfe in der Druckerei ein zu großes Risiko für die empfindlichen Lungen ihres Sohnes darstellten. Ove brach die Lehre ab.
Träume eines Büroangestellten
Ove träumte inzwischen vom Theater. Wenn er in der Familie davon sprach, lachten sie und zuckten mit den Schultern. Zwar war er ihr Spaßmacher und Meister im Grimassenschneiden, doch der Weg zur Schauspielerei war lang und schien für jemanden aus einer gewöhnlichen Arbeiterfamilie ganz und gar unmöglich.
Ove selbst hatte auch keine wirkliche Vorstellung vom Beruf eines Schauspielers. Er glaubte, man brauche nur ein paar festliche Lieder singen zu können, und dann dürfe man auftreten. Einmal brachte er seine Mutter dazu, bei einer Filmgesellschaft anzurufen und zu fragen, ob man davon leben könne, als Statist zu arbeiten. Das erschien ihm leichter als Schauspieler. Inger rief bei Lau Lauritsen in der ASA an. »Nein, das kann ihr guter Junge nicht«, lautete die kurze
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